Das Feuer im Grenfell Tower am nordwestlichen Rand von London hat vielleicht mehr als 100 Menschen das Leben gekostet. Gut 60 Todesopfer sind bestätigt, noch werden Personen vermisst. Zu einem solchen Inferno in einem Hochhaus aus den 60er Jahren musste es früher oder später kommen, wenn nicht in North Kensington, dann irgendwo anders in London. 2012 wurden bei einer Renovierung aus Kostengründen brennbare, weil billige Isolationsplatten an der Fassade verbaut. Auch wenn die Brandursache noch unklar ist – für die rasend schnelle Ausbreitung des Feuers über die Außenwände war diese Dämmung verantwortlich, sagt die Feuerwehr.
So gerät ein Desaster zum politischen Erdbeben für die Tories und ihre knallharte Austeritätspolitik. Sie waren es, die seit Jahr und Tag gegen eine vermeintliche „Überregulierung“, gegen Umwelt- und Sicherheitsauflagen getrommelt haben. Deregulierung sei Gebot der Stunde, je mehr, desto besser, das komme allen zugute. Im Grenfell Tower sind Menschen auch deshalb gestorben, weil die Tories als klassische Interessenpartei der Hausbesitzer und Vermieter seit Jahren den Wohnungsmarkt dereguliert haben. Theresa May, schwer angeschlagen nach der Unterhauswahl, machte wiederum eine denkbar unglückliche Figur. Sie mied den Kontakt mit Überlebenden und Helfern, reagierte unterkühlt. Ganz anders Jeremy Corbyn, erstmals sehen viele Briten in ihm einen Mann, der das Zeug zum Regierungschef hat.
Die Bewohner des Grenfell Tower hatten seit Jahren auf den mangelhaften Brandschutz aufmerksam gemacht. Die Vermieter und der lokale Council konnten das ignorieren, weil arme Leute machtlos sind, sich keine teuren Anwälte leisten können und selten zur Wahl gehen. Die Spitzen der Feuerwehr hatten vergeblich beim konservativen Wohnungsbauminister Gavin Barwell darauf gedrungen, die Brandschutzvorschriften zu verschärfen. Ohne Erfolg. Umso größer ist die Empörung der Briten jetzt, angesichts der Katastrophe, die mit relativ geringen Kosten hätte verhindert werden können. Der einzige Lichtblick bei dieser Tragödie: Mehr Menschen als zuvor durchschauen die Propagandalüge, Sparen ohne Ende und Austerität mit allen neoliberalen Schikanen seien alternativlos, weil ökonomisch richtig und moralisch legitim.
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