Eine Freundin diskutierte kürzlich mit ihrer Tochter die Wahl einer Sportart. Die Tochter wollte Ballett machen, Mama plädierte für Karate. Das Kind durfte schließlich entscheiden und durchkreuzte kurzerhand das Emanzipationsvorhaben der Mutter. Dumm gelaufen.
Auch die britische Kaufhauskette John Lewis will Kindern Entscheidungsfreiheit lassen und schaffte die Schilder mit den Bezeichnungen „Jungen“ oder „Mädchen“ ab. Künftig soll es nur noch Kinderkleidung, also für „Mädchen und Jungen“ geben. Im Januar 2017 brachte sie außerdem eine Unisex-Linie für Kinder heraus, mit Dinosaurier- und Raumschiffmotiven. Obwohl die Kollektion schon länger auf dem Markt ist, ging plötzlich Mitte September eine Welle der Entrüstung durch die sozialen Medien. Der Fernsehmoderator Piers Morgan attestierte Übergeschnapptheit und der konservative Abgeordnete Andrew Bridgen übertriebene politische Korrektheit. Bridgens Sorgen waren auch praktischer Art: Wenn man Söhne habe, müsse man die Zeit damit vergeuden, sich durch Mädchenkleidung zu wühlen. Chris McGovern von der Campaign for Real Education sprach von „Identitätsdiebstahl“.
Klickt man sich probeweise durch das Kinderkleidungsangebot einiger Modemarken, wird deutlich, dass die hinterwäldlerische Einstellung nicht von ungefähr kommt. Bei Gap beispielsweise gibt es für Jungs: Adler, Motorräder, Monster, Aufschriften wie „Champ“, „Superman“, „King of Cool“ oder auch Abbildungen der Vorbilder für die jungen T-Shirt-Träger – Isaac Newton oder Beethoven stehen stellvertretend für das Niveau der männlichen Genieklasse, in die die Jungs aufsteigen sollen. Für Mädchen gibt es: Einhörner, Disneyfiguren, Glitzer, Herzen. Nun lässt John Lewis auch Jungs Glitzer mögen und Mädchen „Champs“ sein.
Im Mittelalter und Barock trugen Mädchen und auch Jungen Kleider und Röcke. Wie kleine Engel sollten sie aussehen, egal welchen Geschlechts. Nachdem schon Designer-Labels wie Gucci und Alexander McQueen Röcke für den Mann anbieten, bei den Schauen auf Geschlechtertrennung verzichten und auch günstige Marken wie Zara und H&M geschlechtsneutrale Linien anbieten, ist es nur logisch, dass den Kleinsten ebenfalls freie Bahn in Sachen modischer Selbstentfaltung geboten wird. Dem Problem, dass es bei der Suche nach dem passenden Shirt für den Sohnemann zu Problemen kommen könnte, könnte man in Zukunft auch innovativ begegnen: Kleider kaufen! Kein Schild wird uns davon abhalten.
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