Bachmann-Twitter-Fan-Fiction

Klagenfurt Wie waren die 37. Tage der deutschsprachigen Literatur vorm Rechner und TV? Nikola Richter hat einen Text im Stil von Heinz Helles "Wir sind schön" darüber verfasst
Auch das haben wir nochmal geschaut: Marcel Reich-Ranicki erklärt Jörg Fauser  1984: "Sie gehören nicht hierher!"
Auch das haben wir nochmal geschaut: Marcel Reich-Ranicki erklärt Jörg Fauser 1984: "Sie gehören nicht hierher!"

Screenshot: der Freitag

Wir haben uns Zeit genommen. Vier Vormittage lang haben wir es getan. Wir haben uns vor unsere Rechner gesetzt und vor unsere TVs, wir haben den Sonnenschein ignoriert und sind nicht ans Telefon gegangen. Auch nicht aufs Klo.

Internet. Wir haben alle gewarnt, die uns folgen: Bachmann überall im Stream, das 37. Jahr der Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Es war als das letzte Jahr angekündigt worden, so dass wir traurig waren, aber am Ende wurde doch noch alles gut. Eine PR-Aktion, dachten wir da und machten: mmh.

Wir waren das pure Glück. Weil Michael Köhlmeier in seiner Begrüßungsrede Jörg Fauser rehabilitierte. Nachts haben wir das Youtubevideo geguckt, in dem Reich-Ranicki Fauser vorwarf, dass er nicht „hierher gehöre“. Wir haben die Saaldekoration 2013 belächelt, vor allem die UTERATUR-Schilder. Die Stapel aus weißen Pappkartons haben wir als Kommentar auf aktuelle Tendenzen des Buchvertriebs verstanden. Bei Fragen der Oberfläche waren wir uns schon immer einig.

Erster Lesetag. Wir haben den von der Jurorin Daniela Strigl ausgerufenen „Tag des Schamhaars“ (Güntner, Meyerhoff) gefeiert. Obwohl auch der Penis, bzw. die Schwanzwurzel (Boehning, Meyerhoff) und Brüste (Kegele) eine große Rolle spielten. Das war uns egal. Tag des Schamhaars!

Danach sind wir durch die Stadt geradelt, aufgeputscht von #tddl.

Wir haben die Plus- und Minuspunkte im Google Doc für die Automatische Literaturkritik steigen und fallen sehen.

Zweiter Tag. Es war schön. Diskutiert wurde über eine Querflöte. Und über Kinderlosigkeiten. Der Große Vorsitzende der Jury, Burkhard Spinnen, übte Kritik an der bundesdeutschen Familienpolitik. Wir hielten uns daran fest. Wir ließen wieder los, als er Kinder als „Biomasse“ bezeichnete.

Während die Jury-Favoritin Katja Petrowskaja schnell feststand, haben wir überlegt, ob Vergangenheitsbewältigung kitschig sei. Wir mochten den Juror Hubert Winkels, als er sagte, Petrowskajas Erzählen gewönne Zeit in der verlorenen Zeit. Aber als Spinnen behauptete, wir alle verdankten unsere Existenz dem 2. Weltkrieg, fragten wir uns, was in seinem Wasser war.

Am dritten Tag waren wir müde. Wir haben kein Tennis geschaut. Wir haben wie Benjamin Maack die Insekten-Geheimnisse unserer Kindheit aufgeschrieben und das Wort „Tamponirritation“ (Juror Paul Jandl) hat uns begeistert. Das Wort autistisch nicht.

Zum Schluss saßen die Juroren vor Tablets. Die bei der Abstimmung eingespielte Musik erinnerte uns an Wetten dass. Dann Preisverleihungen und Blumensträuße. Wir haben ein Fazit gezogen. Wir haben Wünsche für 2014 ausgesprochen: einen Twitter-Juror und die Rückkehr der Übersetzungen. Die rechtlichen Grundlagen kann Justiziar Magister Kammerer erstellen. Wir haben uns verabschiedet. Unsere Timeline zugeklappt.

Mit impliziten Zitaten folgender Twitterer:
@evaperlaperla, @frautravnicek, @Hans
Huett, @hedoniker, @innere_simone,
@jolendle, @kathrinpassig, @katyderbyshire, @literaturcafé, @thedailyfrown,
@ooovector, @quadererer, @sibylleberg,
@WortRatgeberin. Mehr unter #tddl

Nikola Richter twittert unter @nikonee unregelmäßg über Literatur und unter @mkrtxt regelmäßig zu Themen rund um ihren neuen Digitalverlag für kurze Ebooks

AUSGABE

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 28/13 vom 11.07.2013

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