Balancieren statt regieren

Peru Präsident Pedro Castillo legt sich ein neues Kabinett zu – das könnte allerdings im Parlament noch scheitern
Ausgabe 43/2021

Das Kabinett von Pedro Castillo war von Anfang an hoch umstritten, nun hat der linke Präsident einen Neuanfang gewagt, indem er acht von neunzehn Ressorts neu besetzt und Premier Guido Bellido verabschiedet hat. Auf ihn folgt Mirtha Vásquez, die zur bewegungsnahen Linkspartei Frente Amplio (Breite Front) gehört. Als Rechtsanwältin ist Vásquez national und international anerkannt. Ihre Klientin Máxima Acuña – eine Kleinbäuerin, die erfolgreichen Widerstand gegen die Expansion des Goldbergbaus leistete – wurde 2016 mit dem Goldman-Umweltpreis ausgezeichnet. Zuletzt war Vásquez Präsidentin des peruanischen Kongresses (2020/21) und agierte so bestimmt wie kooperativ. Sie ist eine von drei Frauen, die neu ins Kabinett berufen wurden, wodurch es nun fünf Ministerinnen gibt. Ob damit Vorwürfe wegen der mangelnden Beachtung von Frauen seltener werden, ist fraglich.

Entscheidender wird zunächst sein, wie der Streit mit der leninistischen Partei Perú Libre ausgeht, mit deren Mandat Castillo zur Präsidentenwahl angetreten ist, freilich ohne das Parteiprogramm komplett mitzutragen. Vom jetzigen Revirement ist die Parteispitze alles andere als amüsiert, verliert sie doch an Einfluss. Mit der Absetzung von Guido Bellido, einem dogmatischen Parteikader, verlor Perú Libre die Kontrolle über ein zentrales politisches Amt. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Fraktionsführer Waldemar Cerrón bezeichnete die Umbildung als Verrat. Sein Bruder, Parteichef Vladimir Cerrón, verbreitete ein Kommuniqué, in dem ein „offenkundiger politischer Richtungswechsel“ in Richtung Mitte-Rechts moniert wird, auch wenn weiter zwei Ministerinnen von Perú Libre an der Regierung beteiligt seien. Ferner habe ein außerordentlicher Parteitag beschlossen, dem künftigen Kabinett das Misstrauen auszusprechen.

Da in Peru jedes neue Regierungsteam vom Parlament bestätigt werden muss, kann dieses Veto weitreichende Konsequenzen haben – bis hin zu Neuwahlen, auch wenn einige Abgeordnete von Perú Libre ankündigten, für den Präsidenten und das neue Kabinett zu stimmen. Vermutlich werden 24 der 37 Parlamentsabgeordneten den Cerrón-Brüdern folgen, doch ist Pedro Castillo auf alle Stimmen angewiesen. Ansonsten ist seine Regierung im Kongress hoffnungslos unterlegen. Die Abstimmung sollte Anfang der Woche erfolgen, doch verstarb der Abgeordnete Fernando Herrera von Perú Libre nach einem Herzinfarkt, woraufhin das Parlament eine zehntägige Pause eingelegt hat.

Umverteilt wird trotzdem

Fest steht, sollte sich Perú Libre in eine regierungstreue und eine regierungskritische Fraktion aufspalten, würde dies Castillo weiter schwächen, da er sich ohnehin einer oppositionellen Übermacht im Kongress erwehren muss. Er führt ein heterogenes, weitgehend unerfahrenes Regierungsbündnis, das stets den Spagat zwischen Parteidogmen, den Forderungen sozialer Bewegungen und Interessen der bürgerlichen Kongressmehrheit vollführen muss. Bisher haben die internen Machtkämpfe und Personalfragen nicht nur für Schlagzeilen gesorgt, sondern auch zentrale Regierungsvorhaben in den Hintergrund geraten lassen. So sollte Anfang Oktober ein Treffen mit den transnationalen Erdgasunternehmen stattfinden, die das Camisea-Projekt im Amazonasbecken betreiben. Castillo will die Verträge neu verhandeln lassen, damit dem Staat mehr Einnahmen zufließen. Freilich wurde bei der Kabinettsumbildung auch das Energieministerium neu besetzt, schließlich das Treffen vorerst abgesagt.

Dennoch will der Präsident den Kongress beauftragen, ein Gesetz zur (Teil-)Verstaatlichung der Erdgasressourcen zu erarbeiten. Zudem soll es eine Agrarreform geben. Diese wird zwar kaum die extrem ungleiche Verteilung von Land korrigieren, aber nicht länger die auf Exporte ausgerichteten großen Agrarunternehmen, sondern kleinbäuerliche Wirtschaften fördern. Sie kommen für drei Viertel der in Peru konsumierten Lebensmittel auf. Zugleich wird die von der vorherigen Regierung begonnene Impfkampagne erfolgreich weitergeführt, sodass bereits fast die Hälfte der Bevölkerung immunisiert ist. Jenseits des Streits um Personen und Prioritäten kommt also Bewegung ins Land.

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