Bald verdrängen die Samwer-Brüder auch dich

Kapitalismus Unsere Kolumnistin betrachtet zwei Investoren und stellt fest: Sowohl die Immobilien- als auch die Digitalwirtschaft sind in ihrer heutigen Gestalt räuberisch
Ausgabe 23/2019
Das Lächeln des Kapitals: Marc, Oliver und Alexander Samwer (v.l.n.r.)
Das Lächeln des Kapitals: Marc, Oliver und Alexander Samwer (v.l.n.r.)

Foto: Imago Images/Hoffmann

Heute geht es in dieser Kolumne mal nur am Rande um Digital- und stattdessen um Immobilienwirtschaft. Ich weiß, darüber schreiben gerade alle. Das liegt auch daran, dass selbst Start-up-Platzhirsche mittlerweile eingesehen haben, dass sich mit Wohnraum mehr als mit Putz-, Liefer- und Shoppingservices verdienen lässt – trotz mieser Bezahlung ihrer Arbeiter*innen. Die Samwer-Brüder – Marc, Oliver und Alexander – wissen das schon seit ein paar Jahren, aktuell befinden sie sich aber auf intensivierter Immobilien-Shoppingtour, was für viele Berliner gefährlich werden könnte.

Die Samwer-Brüder waren die Start-up-Hoffnung Deutschlands, sie sollten Berlin zum Silicon Valley Europas machen. Erst waren sie big im Klingelton-Business, später haben sie Start-ups aus den USA kopiert. Ihr größter Coup: Der Börsengang Zalandos; mit ihrer Firma Rocket Internet, die einen Tag später an die Börse ging, hatten die Samwers in den Online-Versandhändler investiert. Mittlerweile sind sie zum Beispiel an Delivery Hero – dazu gehörte bis vor kurzem Foodora – und Hello Fresh beteiligt, ihre Facebook-Aktien haben sie längst wieder gewinnbringend verkauft. 2015 landeten die zwischen Anfang und Mitte der 1970er geborenen Sprosse einer wohlhabenden Anwaltsfamilie aus Köln auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt, ihr Vermögen wurde damals auf etwa 1,7 Milliarden Dollar geschätzt.

Klingt, als wären Marc, Oliver und Alexander durch die Bank erfolgreich mit dem, was sie tun. Das stimmt nur bedingt. Ihre Konten sind wahrscheinlich prall gefüllt, profitabel sind ihre Unternehmungen aber noch lange nicht. Denn die Tech-Branche ist ein wackeliges Geschäft: Schwarze Zahlen fehlen nicht nur bei den Samwers, das investierte Kapital entspricht nicht den tatsächlichen Profiten – deswegen ja: „Risiko-Kapital“. Wirtschaftsexperten warnen schon seit längerem vor einer drohenden neuen Finanzkrise.

Die Samwer-Brüder verdienen zwar, doch das Risiko ihrer Unternehmungen tragen derzeit wir alle. Da die Samwers im Gegensatz zu den meisten von uns investieren können, tun sie das – in Immobilien, klar. Da ist Geld zu verdienen.

In den vergangenen Jahren legten sie ihr Kapital vor allem in Gewerbeimmobilien an. 2015 etwa recherchierte der rbb, dass sie das Ullstein-Gebäude in Berlin-Tempelhof erworben hatten, ein altes Backstein-Industrie-Areal. Jetzt wollen sie ins Mietgeschäft einsteigen. Das Manager Magazin berichtet, die Samwers würden einen Häuserblock im Reuterkiez in Berlin-Neukölln, bei dem sie sogar schon Teil-Eigentümer sind, ersteigern wollen. In kaum einem Kiez steigen die Mieten schneller als dort, die Angst der Bewohner ist groß. Je mächtiger das Bruder-Trio auf dem Immobilienmarkt wird, desto stärker kann es die Preise bestimmen.

Auch für außerhalb des Reuterkiezes wohnende Berliner sind das in mehrfacher Hinsicht schlechte Nachrichten. Denn wenn selbst der Platzhirsch der Berliner Start-up-Blase nicht profitabel ist, müssen sich die Bürgerinnen der Stadt schon fragen, warum eigentlich ihre Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Die Grünen) weiter vor allem darauf setzt, Digitalunternehmen nach Berlin zu holen und zu fördern. Diese Firmen sind oft nicht nur Motoren von rapiden Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen, sondern treten nun zunehmend auch ganz bewusst als aggressive Immobilienunternehmen auf, die die Preise von Wohnen und Arbeiten mitbestimmen und steigern wollen.

Klar ist: Beide Wirtschaftszweige – Immobilien- und Digitalwirtschaft – sind in ihrer heutigen Gestalt räuberisch und bedrohen das gute Leben der meisten Menschen enorm. Egal, um welche der beiden Branchen es geht: Die Samwer-Brüder sind die Posterboys rücksichtslosen Geschäftsgebarens der Reichen dieses Landes.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden