»Banane bedeutet Zerstörung«

COSTA RICA / WELTWIRTSCHAFT Der katholische Pastor Gerardo Vargas über die sozialen Folgen extremer Monokultur

Gerardo Vargas koordiniert die Aktivitäten des 1992 in Costa Rica gegründeten Foro Emaús. In dem Forum haben sich kirchliche Gruppen, Umweltinitiativen, Bauernorganisationen und Studentengruppen zusammengeschlossen. Gemeinsam protestieren sie gegen die Expansion der Bananenproduktion an der Atlantikküste des mittelamerikanischen Landes.

FREITAG: Wie hat die Bananenproduktion das Leben der Menschen an der Atlantikküste Costa Ricas verändert?

GERARDO VARGAS: In unserer Provinz Limón existiert eine Kultur der Banane. Die Menschen organisieren ihr Leben entsprechend den Anforderungen der Bananenproduktion. Die Banane ist das Rückgrat der Wirtschaft. In diesem Geschäft verdienen wenige Leute viel Geld, während die Masse der Menschen zunehmend verarmt. Sie bekommen ein geringes Gehalt, bis sie zu alt oder zu schwach geworden sind. Mit vierzig Jahren gibt ihnen niemand mehr Arbeit. Sie leben von den Krümeln, während sich die ausländischen Firmen den ganzen Kuchen einverleiben.

Aber erwirtschaftet der Bananenexport nicht auch wichtige Deviseneinnahmen für das Land?

Seit Jahren wird gesagt, die Banane würde uns Fortschritt und Reichtum bringen. Aber hier in Limón werden die meisten Bananen Costa Ricas produziert, und trotzdem sind wir die ärmste Provinz. Im Zuge der Globalisierung hat sich der Akkumulationsprozeß noch weiter beschleunigt. Zu Beginn der achtziger Jahre gab es in dieser Region noch kleine Parzellen im Besitz von Familien, die ihren eigenen Lebensunterhalt erwirtschaftet haben. Heute ist diese Lebensweise völlig verloren gegangen. Alles hat der Monokultur Platz gemacht. Die Bevölkerung ist zu einer großen Arbeitermasse geworden, verseucht, ausgebeutet und arm. Die Banane bedeutet Zerstörung. Wegen der großen Mengen Chemikalien, die auf den Plantagen eingesetzt werden, sind viele Menschen gestorben. Andere leiden an chronischen Krankheiten, Allergien und Sehstörungen. Außerdem haben die Chemikalien Flüsse, Teiche und selbst Teile des Meeres zerstört. In Berichten des Gesundheitsministeriums steht, daß die Zahl der Menschen, die auf Grund des Einsatzes dieser Gifte sterben, jedes Jahr zunimmt. Trotzdem wird ihr Verkauf weiter gefördert. Die Regierung hat kürzlich ein Dekret veröffentlicht, mit dem sie den Verkauf chemischer Produkte liberalisiert. In der Kultur der Banane zählt eben nicht die Gesundheit der Menschen, sondern der Profit.

Ist der Chemie-Einsatz nicht notwendig, um ein Produkt liefern zu können, das den Qualitätsansprüchen der Verbraucher im Norden entspricht?

Der Markt ist auf den Konsum einer ästhetisch perfekten Banane vorbereitet worden. Genauso gut könnte man den Menschen beibringen, daß die schönste Banane nicht immer die beste ist. Die Konzerne sagen, ihre Bananen seien die schönsten und die besten. Aber das stimmt nicht. Die Konsumenten sollten auch erfahren, daß es Bananen gibt, die mit sehr viel weniger Chemie-Einsatz angebaut worden sind. Diese Bananen sehen vielleicht nicht so schön aus, aber dafür sind sie gut, und sie haben den Produzenten keinen Schaden zugefügt.

Das Gespräch führte Andreas Boucke

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