Baron

Linksbündig Kriegshelden sind wieder gefragt

Nikolai Müllerschön ist guter Dinge. Achtzehn Millionen Euro konnte er auftreiben für seinen Film, der beworben wird, als käme er geradewegs aus Hollywood: Der Rote Baron handelt von dem Flieger Manfred von Richthofen, der kein Baron war, sondern Freiherr, dafür aber auch nicht rot: rot war nur sein Flugzeug. Aber "Der Rote Baron" wurde er genannt, und Nikolai Müllerschön hat ihn seit seiner Kindheit bewundert.

Endlich, freut sich Müllerschön, könne man von deutschen Helden sprechen. Das sei ja lange verpönt gewesen. Es sei auch schön, wenn Tom Cruise den Claus Schenk Graf von Stauffenberg spiele, aber noch schöner wäre es gewesen, wenn der Film in Deutschland gedreht worden wäre und auch Schindlers Liste. Deutsche Helden? Oskar Schindler hat immerhin mehr als tausend Juden das Leben gerettet. Stauffenberg hat immerhin, wenn auch spät, sein Leben aufs Spiel gesetzt im Widerstand gegen einen Massenmörder. Was aber macht Manfred von Richthofen zum Helden? Dass er im Ersten Weltkrieg achtzig Flugzeuge, mehr als jeder Andere, abgeschossen hat? Dass er, ein Herr aus besseren Kreisen, das Kriegführen als Sport begriff? Dass er, ritterlich wie seine Vorfahren im Mittelalter, über dem Grab eines Feindes einen Kranz abwirft und später, selbst abgeschossen, vom Feind geehrt wird?

In Müllerschöns Revue zeigt eine attraktive Krankenschwester, die Richthofen nach dem Rezept des Englischen Patienten liebt, im Lazarett das wahre Gesicht des Krieges: Es ist nicht geschnäuzt und gekämmt wie das seiner Fliegerhelden, sondern blutig. Ein unerquicklicher Anblick. Manfred von Richthofen - oder ist es doch Matthias Schweighöfer? - schaut traurig drein und steigt ins nächste Flugzeug (rot, versteht sich), um ein paar Feinde ritterlich abzuknallen.

Der Wind hat sich gedreht im Land. Kriegshelden sind wieder gefragt, und mit ihnen der alte Adel. Mit der Interpretation des Ersten Weltkriegs als sportlichem Wettkampf wird auch gleich das Ende der Monarchie zurückgenommen. Die republikanischen Helden sind einfach nicht so gepflegt und vornehm wie die Grafen, Barone und Freiherren, und so gut reiten können sie ohnedies nicht.

Der Wind hat sich gedreht. Die antipazifistische Propaganda tut ihre Wirkung. Wir reden nicht von Kritik an einem Pazifismus, der keine Umstände kennt, unter denen (Gegen-)Gewalt gerechtfertigt wäre. Wer das Ende des Nationalsozialismus für einen Segen hält, weiß es besser. Der deutsche Held Stauffenberg hat dafür nicht gereicht. Wir meinen jene Pazifismusdiffamierung, die den Krieg, mit Carl von Clausewitz (schlesischer Adel!), als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln begreift. Tja wenn das so ist. Wo Politiker Nobelpreise erhalten, können Kriegsführer dann auch problemlos Helden sein. Wer vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und wer auf der Tribüne in Oslo auftritt, ist eher eine Frage der Machtverhältnisse als der Verdienste.

Einer der ersten Filme, die ich als Kind sah, hieß Herz der Welt. Hilde Krahl spielte darin Bertha von Suttner. Es war, wie ich heute weiß, ein schlechter Film, aber ich habe sehr geweint. Bertha von Suttner erschien mir als Heldin. Heute heißt der Film Der Rote Baron, er ist zwar teurer, aber zumindest ebenso schlecht wie Herz der Welt, und sein Held heißt Manfred von Richthofen. Der Wind hat sich gedreht im Land.

Und weil Nikolai Müllerschön ein Patriot ist, hat er seinen Film in Deutschland produziert und nicht in den USA, wo er lebt. Dafür wird er gelobt. Er habe Deutschland als Drehort attraktiver gemacht. Billiger als Los Angeles ist Ludwigsburg, wie Müllerschöne verrät, allemal. Noch billiger aber ist Prag. Deshalb wurden zwei Drittel des Films in der Tschechischen Republik aufgenommen. Vielleicht hätte man Schindlers Liste doch in Indien drehen sollen oder in Kamerun?

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