Basajews Geständnis

Tschetschenischer Guerilla-Kommandeur bricht sein schweigen Das Attentat auf die Schule in Beslan sollte eigentlich im Herzen Russlands verübt werden

Geldmangel sei der Grund gewesen, weshalb das nordossetische Beslan am 1. September 2004 Ziel eines schockierend brutalen Terrorangriffs wurde, meint der von Russland als Massenmörder gesuchte Tschetschene Shamil Basajew in einem Interview des englischen Senders Channel 4, das in der vergangenen Woche ausgestrahlt wurde.

Basajew galt von Anfang an als Drahtzieher des blutigen Anschlags auf die Schule Nummer 1, bei dem 170 Kinder und mindestens ebenso viele Erwachsene ihr Leben verloren. In seinem ersten Interview, das er seit Beslan gegeben hat, liefert der "Top-Gun" der kaukasischen Terror-Szene nun eine zutiefst zynische Erklärung dafür, ausgerechnet in Nordossetien soviel Tod, Leid und Schmerz ausgelöst zu haben. Ursprünglich sollte eine Schule in Moskau oder Petersburg besetzt werden, teilt er lakonisch mit. Finanzknappheit habe ihn dann auf Nordossetien ausweichen lassen, jener "russischen Garnison im Kaukasus", die für das Elend in Tschetschenien mit verantwortlich sei. Was Russlands Armee dort anrichte, geschähe schließlich mit dem stillen Einverständnis der Nordosseten.

Die Frage von Channel 4, ob er auch rechtfertige, dass Kinder getötet wurden, beantwortet Basajew mit einer Gegenfrage: "Menschen, die Putins Politik unterstützen, die ihre Steuern für diesen Krieg zahlen, ihre Soldaten dort hinein schicken und von ihren Priestern weihen lassen - können diese Menschen unschuldig sein, nur weil sie unbewaffnet sind?" Basajew bestätigt damit, was immer als ein Motiv des Massakers vom 1. September 2004 zu vermuten war: Nordossetien stand als einzige Kaukasus-Republik stets loyal zu Russland und sollte dafür bestraft werden.

Deren Hauptstadt Wladikawkas verdankt ihre Existenz einer leidenschaftlichen Liaison zwischen dem Fürsten Grigori Alexandrowitsch Potemkin und Katharina der Großen. Potemkin ließ seiner Angebeteten die Stadt 1748 als Festung erbauen - als Bollwerk gegen die aufsässigen Bergstämme. Wladikawkas - die "Herrscherin des Kaukasus" - symbolisierte den imperialen Anspruch des Zarenreiches im Süden. Anders als ihre aufständische Umgebung blieben die Osseten fortan auf Russland fixiert, was ihnen Feindschaft und Missgunst eintrug, besonders in Inguschetien und Tschetschenien.

Er habe mit der "Operation Beslan" die Russen zu einem Ende des Völkermordes im Kaukasus zwingen wollen, behauptet Basajew gegenüber Channel 4. Dazu habe es eines Anschlags bedurft, bei dem es keinen anderen Ausweg geben konnte, als den Forderungen nachzugeben. Er habe sich allerdings furchtbar getäuscht und nicht geglaubt, dass die Russen den Tod so vieler Kinder in Kauf nehmen würden, schiebt Basajew die Schuld für das Inferno von Beslan auf Moskau. "Ich war über das Geschehen nicht erfreut", lässt er wissen.

Auf den Kopf des 40-jährigen Basajew - den meistgesuchten Terroristen in Russland - ist eine Prämie von zehn Millionen Dollar ausgesetzt. Ihm wird auch die Ermordung des tschetschenischen, von Russland eingesetzten Präsidenten Kadyrow zur Last gelegt. Vermutlich versteckt sich Basajew in den kaukasischen Bergen und organisiert von dort den Partisanenkampf seiner Männer und Frauen, jener "Schwarzen Witwen", die seit Jahren immer wieder bei Selbstmordattentaten in Erscheinung treten.

Shamil Basajew ließ sich vor einer Fahne mit einem islamischen Glaubensbekenntnis interviewen, trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Anti-Terror" und kündigte an, seinen Krieg gegen den Kreml nicht beenden zu wollen. Wörtlich: "Wir planen weitere Operationen von der Art, wie sie in Beslan stattfanden, weil man uns dazu zwingt."

Immerhin musste Basajew einräumen, dass ihm der frühere tschetschenische Präsident Maschadow vorwerfe, in Beslan "zu weit" gegangen zu sein, und verlangt habe, er solle sich für diese Tat vor einem Gericht verantworten. Bisher hatte Basajew stets die Version verbreitet, Maschadow sei in die Planung des Beslan-Anschlags voll und ganz involviert gewesen.


Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden