Basta als Argument

Religion Kardinal Karl Lehmanns Attacke gegen den Kölner Autor Navid Kermani war nicht sein erster Versuch, den Islam zu diskreditieren.

Wie funktioniert ein Dialog zwischen religiösen und säkularen Menschen? Der Streit um die Vergabe des Hessischen Kulturpreises an den Kölner Autor Navid Kermani ist ein Beispiel dafür, wie man ihn beendet, bevor er überhaupt begonnen hat. Auf welchen Fundamenten beruht er? Erstens müssen die Religionen wie die säkulare Seite auf ihre exklusiven Wahrheitsansprüche verzichten und diese durch Respekt und Achtung vor den Anderen ersetzen. Die religiöse wie die säkulare Seite müssen „das anstößige Faktum des weltanschaulichen Pluralismus“ (Habermas) akzeptieren und ein Bewusstsein der eigenen Fehlbarkeit entwickeln. Solche selbstreflexive Abrüstung bewahrt die säkulare Seite vor hybriden Vernunftgewissheiten und die religiöse vor exzessiver Glaubensüberheblichkeit.

Zweitens muss besonders die säkulare Seite Lernbereitschaft zeigen und zum Beispiel die religiösen Wurzeln des rechtlich-moralischen Grundbegriffs menschlicher Würde des Grundgesetzes anerkennen.

Was diese Grundbedingungen für einen Dialog betrifft, besteht auf der Seite der Religionen – vor allem der katholischen – ein Defizit. Der Philosoph Kurt Flasch hat im Zusammenhang mit der Rede Benedikts XVI. in Regensburg im September 2006 darauf hingewiesen, was die vom Papst immer wieder vorgebrachte Verurteilung des „Relativismus“ bedeutet. Die verbal verkündete Dialogbereitschaft wird unglaubwürdig, denn der Vorwurf des „Relativismus“ verdeckt nur notdürftig, dass es für ihn „außerhalb seiner Kirche kein Heil gibt“.

Das Zweite Vatikanische Konzil akzeptierte zwar die Religionsfreiheit, aber die dadurch bewirkte Öffnung zum Dialog unter Gleichen wird maßlos überschätzt. Man hielt fest „am Primat des Bischofs von Rom und am Jurisdiktionsprimat des Papstes“ (Flasch). Zur Bewahrung der Einheit der Kirche war Benedikt sogar bereit, sich „das Drehbuch der Versöhnung“ (Hans Maier) von der Pius-Bruderschaft diktieren zu lassen. Diese Bruderschaft lehnt das Zweite Vaticanum ebenso ab wie den Dialog mit Juden. Diese gelten vielen Katholiken seit dem Konzil als „ältere Brüder“, den Piusbrüdern jedoch nach wie vor als „Christusmörder“.

Für Kardinal Lehmann, der in Hessen neben Kermani ausgezeichnet werden sollte, war die Regensburger Rede kein Skandal, sondern ein Beweis dafür, „wie sehr die Religionen den öffentlichen Diskurs zu mobilisieren vermögen“. Es waren freilich nicht „die“ Religionen, die 2006 Aufsehen erregten, sondern die Abwertung des Islam als vernunftferne Religion durch den Papst empörte.

Lehmanns Verteidigung der Rede ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich dafür, was für ihn Dialog bedeutet. „Ein Verwandtschaftsverhältnis“ wie zu den Juden – so der Kardinal – „besteht zwischen Christentum und Islam“ nicht. Basta als Dialogersatz.

Lehmann räumt die historisch belegte Affinität aller Religionen zur Gewaltausübung „im Namen der Religion“ ein und verneint jeden Generalverdacht gegen den Islam. Doch schränkt er das sofort ein. Er fragt sich listig, „inwieweit in der heutigen Gewaltproblematik der muslimischen Religion“ – also nicht nur bei fanatisierten Islamisten – „die theologische Tradition des kämpfenden und herrschenden Islam, die mit einer gewissen Ungebrochenheit die Zeiten überdauert zu haben scheint, eine Rolle spielt.“ Soll man – ebenso infam – zurückfragen, ob Bernard von Clairvaux’ Kreuzzugs-Kampfparole „Taufe oder Tod“ auch „mit einer gewissen Ungebrochenheit die Zeiten überdauert“ habe? Lehmanns asymmetrische Unterstellung in Sachen „Gewalt und Islam“ zeugt nicht von Dialogbereitschaft, sondern gleicht einer Kampfansage.

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