Die USA begreifen den Süden des amerikanischen Kontinents seit jeher als ihren Hinterhof, und wenn sich dort etwas regt, was ihren Zielen zuwider läuft, greifen sie ein. Eigene Truppen schicken sie selten, lieber stützen sie Diktatoren, putschwütige Militärs und korrupte Regierungen, die nach ihrer Pfeife tanzen. Gern schüren sie auch interne Konflikte und päppeln dafür ihre Parteigänger vor Ort mit Waffen auf. Und soviel ist sicher: Immer hat die CIA ihre Finger im Spiel. Kaum nötig, zu erwähnen, dass der Süden den großen Bruder nicht sonderlich mag, und erst recht nicht dessen Geheimdienst.
Um die Machenschaften eben dieses Geheimdienstes hat der Argentinier Eduardo Belgrano Rawson seinen Roman Rosas Stimme gesponnen. Er hat
gesponnen. Er hat dafür Zeitzeugen interviewt und gelesen, Bücher, Studien und Hunderte von Zeitungs- und Agenturmeldungen. Dann hat er die Informationen systematisiert, jedoch nicht chronologisch nach Themen und Ereignissen, da dies ein Sachbuch über die CIA-Aktivitäten in Lateinamerika ergeben hätte. In Belgranos Art, die Geschehnisse neu zu ordnen, liegt der Reiz des Buches. Entstanden ist eben nicht "der große Roman über Castros Kuba" wie die Banderole des Verlags behauptet, sondern der literarische Nachweis der unrühmlichen Rolle von Schlüsselfiguren des amerikanischen Geheimdienstes wie Howard Hunt im gesamtamerikanischen Politpoker seit Mitte des letzten Jahrhunderts.Im Zentrum des Romans steht der Überfall auf die kubanische Schweinebucht am 17. April 1961, jedoch nicht, um das Leben unter Fidel Castro aufzuzeigen oder das Für und Wider der Revolution zu diskutieren. Mit dieser Revolution befasst sich Belgrano nur beiläufig, und besonders gut kommt auch sie nicht weg, wenn er in einem Nebensatz seinen Landsmann Che Guevara für Massenerschießungen verantwortlich macht oder sich über dessen Rolex-Uhr mokiert. Vielmehr ist jener Überfall auf die Schweinebucht besonders geeignet, um die Arbeitsweise der CIA und deren Macht in der gesamten Region zu demonstrieren.Der CIA-Propaganda-Sender Radio Swan, über den die Stimme der ehemaligen kubanischen Prostituierten Rosa während des Überfalls auf die Schweinebucht verschlüsselte Nachrichten übermittelte, stand auf einer honduranischen Insel. Die Flugzeuge, die an jenem 17. April Richtung Kuba aufbrachen, starteten von einer nicaraguanischen Basis. Und so mancher Beteiligte an der gescheiterten Invasion war bereits zuvor verschiedentlich in Guatemala tätig gewesen, als es darum ging, sozialreformerische Präsidenten zu stürzen. Beim Unternehmen Schweinebucht zeigte sich zudem, wie schnell die USA ihre Verbündeten fallen lassen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Kaum war klar, dass die Invasion erfolglos sein würde, zogen sie ihre Kriegsschiffe ab und überließen die Söldner, in der Mehrzahl Exilkubaner, auf Kuba oder auf dem Meer ihrem Schicksal. Schließlich sollte alles so aussehen, als wäre allein eine Horde kubanischer Castro-Gegner für den Überfall verantwortlich gewesen.Rawson nähert sich in seinem dritten ins Deutsche übersetzten Roman den Ereignissen ausschließlich über Menschen, die damit zu tun hatten oder über die sie einfach hereingebrochen sind. Natürlich huschen "der Ire" John F. Kennedy, Fidel Castro oder Che Guevara durchs Bild, doch die Hauptrolle spielen die "kleinen Leute", die Bauern in dem Schachspiel, die unter den politischen und geheimdienstlichen Aktivitäten zu leiden hatten, ganz gleich, auf welcher Seite sie standen. Er erzählt viele kleine Szenen aus dem Leben dieser Menschen, und setzt diese so kunstvoll zusammen, dass schließlich ein klares Bild entsteht - eben das von der unseligen Rolle der "Firma", wie Belgrano die CIA nennt, sowie von deren Verflechtung mit den wirtschaftlichen Interessen der United Fruit.Er schaut den kubanischen Bomberpiloten über die Schulter, die mit halben Wracks in die Schlacht fliegen mussten und trotzdem ihren Anteil hatten am Misserfolg der Invasion. Sie wurden zu Helden, um - Ironie des Schicksals - schließlich doch sämtlich nach Miami zu fliehen. Er beobachtete den Köhler im Sumpf von Zapata, der sich plötzlich zwei amerikanischen Söldnern gegenüber sieht, die sich dort verstecken. Einer der beiden stirbt, doch seine Familie lässt die Firma über Jahre in dem Glauben, er sei verschollen. Der Autor schaut zu, wie es Alex del Valle gelingt, mit einigen Kampfgefährten in einem Schlauchboot den kubanischen Milizen zu entkommen, um dann elend auf dem Meer zu verdursten, weil die US-Flotte sich einen Teufel um die Flüchtigen schert.Rawson kommt nicht mit erhobenem Zeigefinger daher, sondern mit Ironie und tiefschwarzem Humor: "Es bedurfte lediglich eines geringen Aufwands, um unter den Einwohnern Havannas das Gerücht zu streuen, die Experten im Vatikan seien endlich zu der Überzeugung gekommen, dass Fidel niemand anders sei als der Antichrist. War das erledigt, brauchte man nur noch ein Datum für die Ankunft Gottes festzusetzen", schreibt er etwa über die CIA-Vorbereitungen der Invasion.Das Buch hat seine Längen, wenn sich der Autor über Seiten mit der Beschreibung der Luftschlacht über der Schweinebucht aufhält, und es dauert, bis der Leser hinter den schnellen Szenenwechseln und der Vielzahl der auftretenden Personen das zielführende Schema erkennt. Der Satzbau der Übersetzung ist ab und zu holperig. Zudem ist die Übersetzerin im Kubanischen nicht zuhause, wenn sie etwa die Frutabomba zur Kugelfrucht macht. Das Adjektiv "bomba" bedeutet im Kubanischen schlapp.Eduardo Belgrano Rawson hat einen engagierten, höchst originellen, konsequent strukturierten Roman vorgelegt, der zudem Informationen vermittelt. Und da stellt sich das Problem: Die meisten der unzähligen Szenen darf der Leser als verbürgte Zeitgeschichte auffassen, die meisten Personen als real. Doch welche muss er der Phantasie, und nicht der Historie zuschreiben? Da wäre um des Anliegens des Romans willen mehr Klarheit hilfreich gewesen. Eine etwas ausführlichere Erläuterung im Nachwort hätte genügt.Eduardo Belgrano Rawson: Rosas Stimme. Roman. Aus dem Spanischen von Lisa Grüneisen. C.H. Beck, München 2006, 384 S., 22,90 EUR
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