Baumann!

SPORTPLATZ Der Autor des folgenden Zitates ist hauptberuflich Läufer. "Dass ich am Ende meiner Karriere Doping genommen haben soll, ist doch lächerlich. Ich war ...

Der Autor des folgenden Zitates ist hauptberuflich Läufer. "Dass ich am Ende meiner Karriere Doping genommen haben soll, ist doch lächerlich. Ich war schockiert, als ich die Meldung hörte. Ich bin unschuldig und ich werde das jedem erzählen. Ich bin dafür, dass eine Untersuchung in all den Fällen erfolgt, in denen Nandrolon festgestellt wurde. Damit soll endlich herauskommen, wie dies möglich ist ohne Wissen der Athleten. Ich werde meine Unschuld beweisen."

Nandrolon wurde auch im Urin des 5000-Meter-Olympiasiegers von 1992, Dieter Baumann, gefunden, aber das Zitat stammt nicht von ihm. Linford Christie sagte es, britischer Sprinter und auch Olympiasieger. Er wurde im Sommer vergangenen Jahres wegen der Einnahme von Nandrolon gesperrt. Christie galt fortan als Betrüger. So kriminell wie vor ihm die Nandrolon-Sünder Merlene Ottey (Leichtathletik), Petr Korda (Tennis), vier französische Fussballprofis, Djamel Bouras (Judo), Olivier Bernhard (Triathlon) oder Michelle Smith-de Bruin (Schwimmen). Alle beteuerten zwar ihre Unschuld, alle suchten nach Entlastendem, aber alle bemerkten recht bald, dass sie keine Chance hatten, weil ihnen niemand glaubte.

Doch bei aller verständlichen Kränkung, die die Sportler erfuhren, verrannte sich keiner in eine solche Wahnvorstellung: "Da ich Opfer eines langfristig und gezielt geplanten Anschlags bin, und somit unschuldig, widerspricht das Vorgehen meinem Rechtsempfinden." So verrennt sich nur Dieter Baumann, von dem man doch stets Deftiges gewohnt war.

"Normalerweise gehöre ich nicht zu denen, die nach dem Staat rufen", schrieb er mal in der taz, "aber inzwischen ist es soweit, daß er einschreiten muß. Die Dealer und ihre Kundschaft müssen hart bestraft werden." Baumann gilt, wahrscheinlich auch wegen seiner Forderung nach harten Strafen gegen die Kunden von Drogendealern, als sympathischer linksliberaler Sportler - eine Eigenart hiesiger politischer Kultur.

Nun aber wurde Dieter Baumann selbst positiv getestet, und alles, was er anzubieten hat, ist eine Geschichte, die man sich von Linford Christie oder Katrin Krabbe, von Uta Pippig oder Michelle Smith-de Bruin als intellektuelle Beleidigung verbeten hätte: eine manipulierte Zahnpastatube. Aber bei Dieter Baumann ist alles anders, jede Menge Beweise und Argumente werden öffentlich vorgetragen:


  • Bei Baumann macht Nandrolon sportlich keinen Sinn. (Ein Argument, dass zumindest auch auf Smith-de Bruin zutrifft)
  • Nandrolon kann auch körpereigen gebildet werden, jüngere Studien zeigen dies. (Als Christie dies äußerte, bekam er vom Dopingankläger Werner Franke Häme entgegengeschleudert: so was gelte vielleicht für schwangere Frauen, aber nicht für ihn.)
  • Eine Manipulation, nach bisherigem Kenntnisstand wahrscheinlich durch die Zahnpasta, sei wahrscheinlich; vom zuständigen Antidopinglabor wurden Hausdurchsuchungen angestellt, um herauszufinden, ob nicht irgendetwas Entlastendes zu finden sei. Eine vergleichbare Aktion hat es im Weltsport noch nie gegeben
  • Gesucht wird jetzt, gemäß der der letzten Vermutung, ein Unbekannter, der die Zahnpasta manipuliert haben könnte. Da diese Suche - trotz schon verfolgter Stasi-Fährte - bislang ohne Erfolg blieb, hat der Deutsche Leichtathletikverband nun nolens volens alles in die Wege geleitet, damit gegen Dieter Baumann demnächst ein zeitlich begrenztes Berufsverbot ausgesprochen wird. Nahezu keines der angeführten Argumente, warum Dieter Baumann wahrscheinlich zu Unrecht beschuldigt wird, ist falsch. Aber jedes dieser Argumente hätte schon in bisherigen, juristisch wesentlich komplizierteren Doping-Fällen gegolten: bei Krabbe und bei Christie, bei Pippig und bei Ottey, bei Smith-de Bruin und bei Korda. Der Unterschied ist, dass man es Dieter Baumann nicht zutraut.
  • "Auch Helmut Kohl wird Unglaubliches unterstellt", verriet Baumann neulich der ZEIT, "genau wie mir." Aber der hätte einen mächtigen Fürsprecher: "Norbert Blüm hat gesagt: Ich kenn den, ich weiß, der hat das nicht gemacht. Norbert Blüm hat sich nicht anstecken lassen von dieser Aufgeregtheit. Er hat den Menschen Helmut Kohl charakterisiert, den Menschen Kohl. Dem hat er Rückendeckung gegeben. Da habe ich Kohl beneidet für seinen Norbert Blüm."

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden