Die Niederlage bei den italienischen Parlamentswahlen vom 13. Mai war bitter für die bislang regierende Mitte-Links-Koalition des Ulivo (Olivenbaum). Für die Linksdemokraten (DS), den stärksten Ast des Ulivo, kam sie einer Katastrophe gleich. Die Partei rutschte von rund 21 Prozent (1996) auf das historische Stimmentief von 16,6 Prozent ab. Was einmal die stärkste kommunistische Partei Westeuropas war, gleicht heute einem Häufchen Elend ohne klare politische Identität. Wie es nun weitergehen soll, weiß niemand so recht zu sagen. Jetzt müssen wohl erst einmal Köpfe rollen.
Verärgert sind viele vor allem über die Parteistars Massimo D´Alema und Walter Veltroni, die im Wahlkampf kaum Präsenz gezeigt hatten. Sie seien verantwortli
. Sie seien verantwortlich dafür, dass Ulivo-Spitzenkandidat Francesco Rutelli die Hauptrolle spielte und fürs eigene Parteienbündnis Margherita (14,5 Prozent) ordentlich Stimmen einsackte - viele davon von den DS. Mauro Zani von den Linksdemokraten in der roten Region Emilia-Romagna war einer der ersten, der die Ablösung der Führungsspitze und die Einberufung eines Sonderparteitags forderte, auf dem ein neuer Sekretär gewählt werden solle. Zumal der Amtsinhaber, Walter Veltroni, als neuer Bürgermeister von Rom für diesen Posten nicht länger zur Verfügung steht. Aussichtsreichster Kandidat scheint nun Piero Fassino, der in einer Ulivo-Regierung Vize-Premier hätte werden sollen.Der Sieg bei den Stichwahlen für die Bürgermeister in Rom, Neapel und Turin vom vergangenen Sonntag gibt den Linksdemokraten Auftrieb, nach dem Debakel vom 13. Mai wieder nach vorn zu schauen. Doch wohin genau, ist völlig unklar. Zu viele Blicke wenden sich in verschiedenste Richtungen, zu viele (veraltete) Vorschläge liegen auf dem Tisch. Nummer Eins haben der scheidende Ministerpräsident Giuliano Amato und der Präsident der DS Massimo D´Alema gemeinsam ausgebrütet: eine sozialdemokratische Partei europäischen Zuschnitts, die Kommunisten, Sozialisten, Grüne und linke Katholiken umschließt. "Natürlich muss der Gründung der Partei eine kulturelle und politische Diskussion vorangehen. Dafür bedarf es geeigneter Mittel und Gelegenheiten, Zeitschriften und Zusammentreffen", meint Amato und schwärmt bereits von einem Gründungsakt wie seinerzeit in Livorno, wo sich 1921 Sozialisten und Kommunisten trennten. Enrico Boselli von der SDI, einer der sozialistischen Erben des PSI von Bettino Craxi, hat den Zeitplan vorgegeben: Bis November soll das Vorhaben stehen. An der Nullnummer einer Zeitschrift, die als Diskussionsforum dient, wird schon fleißig gearbeitet. Dem Sekretär von Rifondazione Comunista (PRC), Fausto Bertinotti, hat D´Alema bereits die Hand zur gemeinsamen Diskussion gereicht.Die Anhänger einer explizit linken, sozialdemokratischen Partei stoßen jedoch auf den Widerstand der Ulivo-Apologeten, die immer noch dem von Romani Prodi und Walter Veltroni entworfenen Bündnis nachweinen, das 1996 die Wahlen gewann. Einer der verbissensten Anhänger des Ulivo als ""Reformpartei" aus linken Kräften und aufgeklärten christlichen Parteien der politischen Mitte bleibt Achille Occhetto, der Totengräber der Kommunistischen Partei (PCI) und erster Sekretär des Nachfolgers PDS. Nach seiner Ansicht hätten sich die Wähler mit ihrer großen Zustimmung zum Margherite-Bündnis bereits dafür ausgesprochen, dass DS und Margherita ihre Differenzen überwinden und unter der Krone des Olivenbaums zusammen kommen. "Wir werden auf eine ganz neue Art und Weise zusammenstehen müssen", sagt Occhetto, ohne zu erklären, wie. Er wünsche sich nur, dass sich sowohl DS als auch die Margherite in ihrer heutigen Form binnen fünf Jahren auflösen.All diese Vorhaben hängen letztlich vom Ausgang des Parteitags der Linksdemokraten ab, die als stärkste Kraft innerhalb der Linken und somit bestimmend für alle zukünftigen Koalitionen und Bündnisse zunächst bestehen bleiben. Und da dürfte es heftige Debatten und Kritik geben- vor allem von Seiten der innerparteilichen Linken. Einer ihrer Exponenten, Giorgio Mele, fordert eine Bilanz der vergangenen fünf Jahre, in denen die Linksdemokraten an der Regierung waren, und die Auflistung der begangenen Fehler. Die Linke müsse wieder ihre originäre Rolle spielen, ansonsten habe auch Mitte-Links keine Chance. "Dass wir den gemäßigten Ideen hinterhergelaufen sind, hat uns benachteiligt", glaubt Mele. In die Offensive will auch der bisherige Arbeitsminister Cesare Salvi gehen, der eine Art innerparteiliche linke Fronde aus der Taufe gehoben hat und nun selbst auf den Posten des Parteisekretärs schielt Bezeichnend für die gesamte Debatte bleibt ihre starke Fixierung auf Personen. Eine ernsthafte Kontroverse über die inhaltlichen Gründe der Niederlage und darüber, wie eine große linke Partei von morgen aussehen soll, hat bisher nicht stattgefunden. Ob ein Parteitag dazu geeignet ist, muss bezweifelt werden, weil es da eher um Posten gehen dürfte. Die Linke hat vor allem im Süden verloren, gerade unter ihrer angestammten Wählerklientel: den Arbeitern und Angestellten. Es gelingt ihr offenbar nicht mehr, mit diesen sozialen Klassen in einen Dialog zu treten. Statt dessen tröstet sie sich damit, dass der Ulivo ohne Rifondazione Comunista im Vergleich zu 1996 sogar ganz leicht an Wählerstimmen hinzugewonnen hat. Selbst die Stimmenverluste gegenüber Margherita rücken einige DS-Verantwortliche in ein positives Licht, weil so niemand - gemeint ist Berlusconi - mehr der Mitte-Links-Koalition vorwerfen könne, sie sei von der Linken dominiert. Genau das war die Analyse Piero Fassinos. Eine Linke, die sich nicht einmal mehr traut, links zu sein, hat eigentlich ihre Existenzberechtigung verspielt.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.