Befehl zum Töten

Strafe Verbrechen wird es immer geben, staatliche Hinrichtungen sollte es nicht geben. Und doch: Die Todesstrafe ist schwer abzuschaffen – in China, USA und Hessen
Ausgabe 47/2013
Töten als verschärften Verwaltungsakt: Noch gibt es die Todesstrafe, laut Verfassung auch in Hessen.
Töten als verschärften Verwaltungsakt: Noch gibt es die Todesstrafe, laut Verfassung auch in Hessen.

Foto: Caroline Groussain/AFP/Getty Images

Es ist ein Unterschied, der zu beachten ist. Der Mensch, der von Menschen getötet wird, kann das Opfer eines Verbrechens sein oder ein Delinquent, an dem von Staats wegen die Strafe vollzogen wird, die das Gesetz vorsieht und die ein Gericht verhängt hat. Worin besteht der Unterschied? Mit der Tatsache, dass es Verbrecher gibt, müssen wir leben. Damit, dass Menschen im Auftrag des Staates Todesurteile verhängen und Menschen töten, müssen wir nicht leben. Wir können die Todesstrafe abschaffen.

Was es bedeutet, wenn Menschen von Staats wegen getötet werden, hat soeben Helmut Ortner im Verlag Zu Klampen in einem aufstörenden Buch vom Töten gezeigt. Ortner, dem wir schon eine vorzügliche Biografie des Hitler-Attentäters Georg Elser verdanken, präsentiert eine kenntnisreich kommentierte und ausgebreitete Collage über das, was geschieht, wenn die Tötung eines Menschen gleichsam ein verschärfter Verwaltungsakt ist. Eine Exekution eben. Er berichtet von den Instrumenten bis hin zur Giftspritze und dem elektrischen Stuhl, zu denen es unsere Zeit gebracht hat, und er präsentiert – mit ausführlichen Zitaten – die Personen, die letztlich Hand anlegen müssen.

Die hessische Todesstrafe ist keine Folklore

Das ist beklemmend zu lesen, und manches wird man so rasch nicht vergessen. Zum Beispiel jenen deutschen Henker aus der Zeit der Nationalsozialisten, der über die Vielzahl der Hinrichtungen, die er vorzunehmen hatte, zu einem wohlhabenden Mann wurde. In Berlin mussten manche vor ihrer Hinrichtung Schlange stehen, weil die Zahl der Delinquenten an einem Tag so hoch war. Nach dem Krieg zog sich der Mann in sein Häuschen in Bayern zurück, wurde aber dort von den Amerikanern aufgestöbert und als Henker reaktiviert. In Landsberg gab es noch einmal viel zu tun, diesmal waren die anderen dran. Die deutsche Justiz ließ den Nazi-Henker dennoch nicht ungeschoren davonkommen, aber ob es wegen der Tätigkeit vor oder nach 1945 war, ist nicht wirklich zu klären.

Die Todesstrafe ist heute nicht nur in China und den USA vorgesehen, sondern auch in der Verfassung des Landes Hessen. Das könnte man sicherlich ändern, aber wenn man das nicht macht – seit mehr als 60 Jahren nicht –, hat das wenig mit Folklore zu tun. Eine Verfassungsänderung in Hessen ist nur per Volksabstimmung möglich. Und all die Parteien, die je in Hessen regiert haben und jetzt gern vollmundig über Volksabstimmungen reden und darüber, dass es mehr von ihnen geben sollte, fürchten ein peinliches Ergebnis bei derselben, wenn es um die Todesstrafe geht. So ist das.


AUSGABE

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden