Begradigung der Fronten

Gipfel Abbas-Sharon Ohne einen wirklichen Durchbruch im israelisch-palästinensischen Verhältnis wird die vereinbarte Waffenruhe eine Episode bleiben

Allein die Choreografie und die separat abgegebenen Statements auf dem Treffen zwischen Mahmoud Abbas und Ariel Sharon in Ägypten - ohne die Möglichkeit von Nachfragen - sprachen Bände. Man hat sich nur auf einen vorab vereinbarten Minimalkonsens in Gestalt eines "Waffenstillstands" einigen können. Kaum jemand hatte mehr erwartet. Wer dennoch zur Euphorie neigt, dem sei ein Zitat Sharons empfohlen, das auf sein Abschiedsinterview für den Israel-Korrespondenten der New York Times im August 2004 zurückgeht: "Die ganze Region hier ist ein Reich der Lüge. In diesem Reich sind Erklärungen, Reden und Worte wertlos."

Dennoch werden in der westlichen Öffentlichkeit wieder einmal die Friedensschalmeien geblasen, weil Mahmoud Abbas einseitig das Ende der Al-Aqsa-Intifada verkündet hat, die über 3.500 Palästinensern und mehr als 1.000 Israelis das Leben kostete, und Israel im Gegenzug seiner Militäreinsätze beenden will. Dass ein solcher Schritt an die Bedingung absoluter Ruhe in den Palästinensergebieten gebunden ist, wird in der Regel verschwiegen. Von den verheerenden Verwüstungen im Westjordanland und im Gaza-Streifen, dem entfachten Hass und Misstrauen auf beiden Seiten ist gleichfalls keine Rede. Auch wird gern ausgeblendet, dass die hoch brisanten Fragen im israelisch-palästinensischen Verhältnis wie Grenzverlauf, Rückkehrrecht der Flüchtlinge, Siedlungen und Status Jerusalems in Sharm el-Sheikh ausgeblendet blieben. Wenn die israelische Mauer in den kommenden Monaten weiter gebaut wird - und davon ist auszugehen -, kommt das der definitiven Grenzziehung für einen Palästinenserstaat gleich. Hinter diese Demarkationslinie wird sich Israel nicht freiwillig zurückziehen, auch wenn es fünf Städte in der Westbank tatsächlich räumen sollte. Dies bedeutet in der Realität so viel wie Frontbegradigung, denn die Truppen werden einfach am Stadtrand neu aufgestellt - sie bleiben omnipräsent wie zu Zeiten des Osloer "Friedensprozesses". Konkrete Schritte, die wirklichen Durchbrüchen gleichkämen, sind nicht in Sicht - genau genommen vollziehen sich bestenfalls kosmetische Operationen, die nicht zuletzt dem Umstand Rechnung tragen, dass beide Gesellschaften - die israelische wie die palästinensische - von viereinhalb Jahren Konfrontation ausgelaugt und erschöpft sind.

Es kann von daher nicht überraschen, wenn Hamas und Islamischer Jihad die Waffenruhe nur unter der Bedingung mittragen, dass die fortgesetzte Strangulierung der Palästinenser ein Ende hat. Damit ist gewissermaßen das Ende des Waffenstillstands programmiert, den Israels Außenminister Shalom ohnehin nur als taktischen Schachzug der radikalen Palästinenser deutet, die einfach Zeit bräuchten, um sich zu reorganisieren.

Die USA blieben in Sharm el-Sheikh ostentativ im Hintergrund, um damit ihre "neutrale" Haltung zu unterstreichen. Eine Geste für einfältige Gemüter, denn Amerika ist nicht neutral. Es sei denn, man glaubt fest daran und ist so naiv wie der palästinensische Außenminister Nabil Shaath, der meint, dass im Unterschied zu früheren Gipfeltreffen die USA diesmal beide Seiten an ihre Verpflichtungen binden und nicht nur die Israeli beschützen wollten. Die USA haben den Palästinensern 40 Millionen Dollar Soforthilfe zugesagt - selten finden bei der andächtigen Verkündung dieser Summe die 4.000 Millionen Dollar direkter Militärhilfe Erwähnung, die jährlich von der US-Regierung für Israel aufgebracht werden (von verdeckten Zuwendungen gar nicht zu sprechen, die in etwa der gleichen Größenordnung liegen). Wie neutral die USA sein wollen, zeigt die Entsendung eines "Sicherheitskoordinators". General William Ward soll sich um die Einhaltung des Waffenstillstands auf palästinensischer Seite kümmern, nicht aber um Operationen der israelischen Armee, die mit amerikanischen Waffen unternommen werden.


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