Bei Verdacht lebenslänglich

Kommentar George Walker Bush, der Revolutionär

Vielleicht wegen der Katastrophe in Südasien, vielleicht wegen der Feiertage: Erneute Enthüllungen über Folter - unter anderem brennende Zigaretten in den Ohren - im US-Stützpunkt Guantanamo und im Irak, und über Pläne im Pentagon, verdächtigte Terroristen ohne Gerichtsverfahren lebenslänglich wegzusperren, haben in den USA die Gemüter nur minimal erregt. Vielleicht überraschen derartige Enthüllungen einfach nicht mehr: Hat Präsident Bush doch seinen Rechtsberater Alberto Gonzalez als Justizminister nominiert, den intellektuellen Autoren der These, die Genfer Konvention sei im Zeitalter des Terrorismus überholt.

Dem Bürgerrechtsverband American Civil Liberties Union zugängliche Dokumente enthalten Berichte von FBI-Beamten über schwere Misshandlung in Guantanamo. Sie hätten in "fötaler Position" angekettete Männer vorgefunden. Die Häftlinge seien wohl "18, 24 Stunden oder länger" angekettet gewesen und hätten sich selber beschmutzt, weil man ihnen den Toilettengang verweigert habe. Ein Häftling sei in einem völlig überhitzten Raum fast bewusstlos vorgefunden worden. FBI-Beamte beschwerten sich, dass die militärischen Verhörer vorgaben, FBI-Beamte zu sein, um ihre Verantwortung zu verleugnen. Ein hochrangiger FBI-Mann in Bagdad erwähnte eine Executive Order des Präsidenten über Druckmittel gegen Häftlingen durch Schafentzug und ähnliche Methoden. Das Weiße Haus bestreitet die Existenz einer solchen Direktive. Und das Justizministerium erklärt ein Papier des eigenen Hauses aus dem Jahre 2002 für überholt, wonach Folter nur Folter sei, wenn sie Schmerzen erzeuge, die "in ihrer Intensität vergleichbar (sind) mit Schmerzen, die durch eine schwere Verletzung hervorgerufen werden, wie etwa Organversagen, die Beeinträchtigung von Körperfunktionen oder auch der Tod".

Die Washington Post berichtet am 2. Januar, Vertreter der CIA und des Verteidigungsministeriums hätten dem Weißen Haus Pläne für den langfristigen Umgang mit inhaftierten mutmaßlichen Terroristen vorgelegt, die schlimmster Taten und Pläne verdächtigt würden, für deren Verurteilung aber keine prozesstauglichen Informationen vorlägen. Die Betroffenen sollten ohne Verfahren lebenslänglich eingesperrt werden, in Guantanamo in einem weiteren 200-Insassen-Gefängnis, möglicherweise auch in eigens zu bauenden Anstalten in Saudi-Arabien, Jemen oder Afghanistan.

Time Magazine hat George W. Bush gerade zur "Persönlichkeit des Jahres 2004" gekürt; der Präsident habe es geschafft, "die Realität so zu deuten, dass sie seinen Plänen entspricht, und sein Schicksal - und das Amerikas - von seinem Glauben an die Kraft seiner Führung" abhängig zu machen. Time fragte Bush, ob er in der zweiten Amtszeit seine Machtposition konsolidieren wolle. Nein, meinte Bush - laut Time ein "amerikanischer Revolutionär" - er habe doch schon "all die Macht" die er brauche.


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