Die Aufregung um die Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie war groß. Das Alternative Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz (AKuBiZ) aus Pirna lehnte vergangene Woche den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis kurz vor der Verleihung ab.
Die Jury hatte die Nominierten dazu aufgefordert, eine „antiextremistische“ Grundsatzerklärung zu unterzeichnen. Keinesfalls dürfe der Anschein erweckt werden, „dass einer Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird“. Weiter heißt es in dem Bestätigungsformular für die Nominierung, die Auszuzeichnenden hätten auch Sorge zu tragen, dass „die als Partner ausge
tner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls zu den Zielen des Grundgesetzes verpflichten“. Hierzu solle man beispielsweise die Verfassungsschutzberichte konsultieren.Der Aufforderung, zukünftige KooperationspartnerInnnen „auszuleuchten“, wollte das AkuBiZ nicht nachkommen. „Wir stehen für Menschenrechte, Chancengleichheit und Antirassismus“ erklärt der Verein. „Für diese Ziele werden wir uns auch in Zukunft gemeinsam mit allen, die unsere Grundsätze teilen, einsetzen“ – jedoch nicht auf Grundlage einer formalen „Gesinnungsprüfung“.Rückhalt bekam der Verein von der Laudatorin Gesine Schwan. Die Forderung nach einer „antiextremisitischen Grundsatzerklärung“ führe zu einer „Kultur des Misstrauens“, erklärte die ehemalige Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten und betonte, es liege nicht im Ermessen der Behörden zu bestimmen, wer die „Demokratie verteidigen darf und wer nicht“. In den 1970er Jahren habe sie zwar die Einführung des sogenannten Extremistenerlasses befürwortet, aber nicht voraus gesehen, dass damit vor allem „behördlicher Willkür“ Tor und Tür geöffnet werde.Die Jury des Demokratiepreises hatte mit der Einführung der Extremismusklausel eine Ankündigung der Familienministerin Kristina Schröder (CDU) vorweggenommen. Sie will die Mittelvergabe an Initiativen gegen Rechtsextremismus ab 2011 von einem schriftlichen Bekenntnis zum Grundgesetz abhängig machen. Dahinter verbirgt sich die häufig vom Verfassungsschutz geäußerte Annahme, „Antifaschismus“ sei ein wesentliches Aktionsfeld des Linksextremismus. Von diesem aus würden demokratische Strukturen unterwandert. Das Familienministerium schreibt in diesem Zusammenhang von „legalistischem Linksextremismus“.Ein gewisses Maß an ToleranzDer sächsische Regierungssprecher Johann-Adolf Cohausz, Vertreter des Schirmherrn des Förderpreises Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), machte am Abend der Preisverleihung keinen Hehl daraus, dass die Auswahl des diesjährigen Preisträgers der Landesregierung ein „gewisses Maß an Toleranz“ abverlange. Er verteidigte das Vorgehen des Sächsischen Innenministeriums. Als sich abzeichnete, dass AkuBiZ Hauptpreisträger würde, hatte es darauf gedrängt, von den Nominierten ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu fordern.Die Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Leipzig Monika Lazar erklärte dazu, der Verfassungsschutz habe nach der Jury-Entscheidung „diffuse Vorbehalte“ gegen den Preisträger angedeutet und damit ein „Klima der Verunsicherung“ geschaffen. Lazar forderte den Verfassungsschutz dazu auf, „belegbare Anschuldigungen“ vorzulegen oder „ganz zu schweigen“. Der Vertreter der Landesregierung verwies auf Nachfrage bezüglich seiner Vorbehalte bloß auf die Homepage von AKuBiZ. Ein Blick auf die Internetseite macht die Sache jedoch nicht unbedingt nachvollziehbarer. Dort steht unter anderem, dass das Zentrum mehrfach Preise etwa als „Botschafter der Toleranz“ gewonnen hat.Die Amadeu Antonio Stiftung distanzierte sich als Mitinitiator des Förderpreises von dem Vorgang, das sie wie die restlichen Jury-Mitglieder und die Nominierten zuvor freilich gebilligt hatte. „Die Stiftungen wurden für die Extremismus-Klausel instrumentalisiert“, sagte die Stiftungsvorsitzende Anetta Kahane. Die Reaktion des AKuBiZ habe aber gezeigt, dass „wir genau den richtigen Preisträger ausgewählt haben“.Der relativ kleine Verein aus Pirna hat Maßstäbe im Umgang mit der Extremismusklausel gesetzt. Dies wird allein schon dadurch deutlich, dass zahlreiche andere Initiativen, Einzelpersonen und Oppositionsparteien sich mit AkuBiZ solidarisch erklärten. Es läuft bereits eine Online-Petition gegen den „Bekenntniszwang“. Wie weit diese Eintracht reicht, wird sich in nächster Zukunft zeigen, denn der Spielraum zivilgesellschaftlicher Initiativen, die auf Gelder aus Staatskassen angewiesen sind, wird auch zukünftig auf verschiedenen Ebenen begrenzt.Die sächsische Landesregierung kündigte am Tag nach der Preisverleihung an, die „antiextremistische Grundsatzerklärung“ zur generellen Förderbedingung für Vereinsprojekte zu machen. Die CDU-geführten Landesregierungen haben es in 20 Jahren nicht geschafft, erfolgreich gegen rechtes Gedankengut vorzugehen. Erst am vergangenen Wochenende wurden die Räumlichkeiten des ebenfalls für den Demokratiepreis nominierten „Vereins Soziale und politische Bildungsarbeit“ aus dem sächsischen Limbach-Oberfrohna in Brand gesteckt. Die Opferberatung Chemnitz geht von einem rechten Tathintergrund aus.Die Sozialministerin Christine Claus kündigt für den sächsischen Doppelhaushalt 2011/12 dennoch an, die Förderung von Maßnahmen zur Stärkung des demokratischen Handelns von zwei Millionen Euro jährlich auf eine Million Euro zu kürzen. „Damit stehen die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und die Beratungsstellen für Opfer rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt vor einer ungewissen Zukunft“, kommentierte die grüne Landtagsabgeordnete Miro Jennerjahn.