FREITAG: Kurz nach der Bundestagswahl vom 1998 verkündete Joschka Fischer, es gäbe keine "grüne", sondern nur eine "deutsche Außenpolitik" - was würde das bei einer möglichen Regierungsübernahme von CDU/CSU bedeuten? Keine schwarze Außenpolitik? WILLY WIMMER: Wir haben während der vergangenen sieben Jahre gesehen, dass Gerhard Schröder auf wesentlichen Feldern der Außen- und Sicherheitspolitik praktisch einen Kurs verfolgt hat, der dem von Helmut Kohl nicht unähnlich war, das betraf nicht nur das Verhältnis zu Russland oder zur Volksrepublik China. Wir haben aber gleichermaßen eine Politik erlebt, die weder mit dem Herzen noch mit dem Verstand betrieben wurde - das lässt sich sowohl für die Europa-Politik sagen wie auch für den Umgang mit jenem Kreis von Freunden, von dem wir seit 1990 umgeben sind.
Aber Kanzler Schröder hat allein den deutsch-französischen Dialog ungemein intensiv geführt ...... aber unmittelbar nach Übernahme der Regierungsverantwortung 1998 nicht gerade herzliche Beziehungen zum europäischen Kernland Frankreich gesucht. Stattdessen bekamen wir eine verbale Rabulistik gegenüber den europäischen Einrichtungen und dem europäischen Gedanken zu hören, dass man glauben konnte, Gerhard Schröder sei nicht Bundeskanzler, sondern noch immer Ministerpräsident von Niedersachsen.
Noch einmal zur Eingangsfrage: hieße das nun in der Außenpolitik eher Diskontinuität im Falle einer Regierungsübernahme durch Ihre Partei?Man sollte zunächst fragen, in welchem Zustand befindet sich die heutige deutsche Außenpolitik gemessen an den Aufgaben, die sie erfüllen sollte. Das heißt Bestandsaufnahme, um danach zu präzisieren: Worin bestehen unsere nationalen Interessen? Von daher wird - was den politischen Gestaltungswillen angeht - eine von CDU/CSU geführte Bundesregierung einen anderen außenpolitischen Ansatz finden als den bisher geltenden. Wir haben doch bei der Bestellung der jetzigen Europäischen Kommission schon gesehen, dass Frau Merkel es sehr wohl versteht, die europäischen Strippen zu ziehen, und dies auch mit Leidenschaft tut.
Worin besteht dieser andere Ansatz? In betont freundlichen transatlantischen Beziehungen?Wir müssen daran interessiert sein, gute Beziehungen mit jedermann zu haben. Es gibt nun einmal Grundkonstanten auf dem Globus, die wir zu beachten haben. Dazu gehören vernünftige Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Wir haben im vergangenen Jahrzehnt de facto erlebt, dass die USA einem anderen Politikansatz gefolgt sind, als wir das zuvor ein halbes Jahrhundert lang gewohnt waren, auch bezogen auf das Verhältnis zu Deutschland. Man kann das nicht ausblenden, aber den Amerikanern trotzdem sagen, lasst es uns vernünftig miteinander versuchen.
Und Sie meinen, das wird in Washington nach einem möglichen Regierungswechsel in Berlin auch so gesehen?Die Bush-Regierung ist einer ähnlichen Lage wie die Regierung Schröder, auch sie steht teilweise vor den Trümmern ihrer bisherigen Politik. Es gibt andererseits so viele verbindende Interessen zwischen den USA und uns, dass ein vernünftiger Politikansatz immer möglich ist. Ich will das der Verständlichkeit halber mit China vergleichen. Dort wird - niemand kann das ernsthaft bestreiten - eine sehr pragmatische Politik verfolgt. Die Hemmschwelle, darauf einzugehen, ist deshalb vorhanden, weil die Führung dieses Landes in den Händen einer Kommunistischen Partei liegt. Das hindert leider viele, die pragmatische Politik Chinas in ihrer ganzen Tragweite zu begreifen ...
Sie wollen damit sagen, auch wenn die USA von George Bush regiert werden, sollte es vergleichbare Hemmschwellen nicht geben.Wir sollten uns nicht kleiner machen als wir sind. Und wir sollten uns - besonders bezogen auf unsere europäische Rolle - nicht über die Wolken erheben. Nicht zuletzt angesichts der Erfahrungen, die wir seit 1990 unter den neuen Verhältnissen in Europa als Regierungspartei schon gemacht haben, sollten wir fähig sein, Deutschland außenpolitisch vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen.
Zielt das auch auf Korrekturen in der Irak-Politik?Unbeschadet, wie man zum Krieg stand, müssen wir ein Interesse daran haben, dass der Irak nicht zu einer Brutstätte eines schwer beherrschbaren internationalen Konfliktpotenzials wird. Allerdings gibt es dafür in erster Linie die klare Verantwortung derjenigen, die uns den Irak so präsentieren, wie er heute ist. Eine künftige Bundesregierung wird gut daran tun, diese Dinge so auseinander zu halten, wie sie auseinander gehalten werden müssen. Wir sehen es auch bei Afghanistan: Wir dürfen uns nicht in eine Politik hinein ziehen lassen, die immer weiter und immer tiefer in einen Schlamassel führt.
Damit sind Kollisionen mit den Amerikanern programmiert - auch unter einer neuen Bundesregierung.Ein ganzes Jahrzehnt lässt sich eben nicht ungeschehen machen. Es ist vielleicht die Tragik Europas, dass dessen Konfliktlösungsmodell, wie es bis zum Ende des Kalten Krieges bestand, nach 1995/96 von Amerikanern und Briten torpediert worden ist. Angesichts der nicht zu leugnenden Erfolge dieses Modells waren immerhin auch China, Japan, Indien und andere mit Blick auf ein asiatisches Sicherheitssystem soweit, sich darauf einzulassen, wir standen kurz vor Gesprächen zwischen der OSZE und der ASEAN - doch dann sind diese Bemühungen durch den Jugoslawien-Krieg auf den Mars geschossen worden. Man kann den Faden nicht dort wieder aufnehmen, wo er 1998/99 mutwillig zerrissen wurde, aber sich auf das besinnen, was einst erfolgreich war. Wir haben heute überall dort ungelöste Probleme, wo die Normen der UNO oder der OSZE missachtet wurden: im Kosovo herrscht kein Frieden, sondern nur Gewaltunterdrückung. Bei Afghanistan weiß ich nicht, ob dem Westen dort nicht etwas ins Haus steht, was den Sowjets schon das Genick gebrochen hat. Vom Irak ganz zu schweigen.
Sie haben damit auch Schauplätze für laufende Auslandseinsätze der Bundeswehr genannt. Sollten die künftig ausgeweitet oder eher reduziert werden?Eine künftige Bundesregierung muss die Zwänge, die andere geschaffen haben, nicht übernehmen. Wir sollten über Auslandseinsätze im Einklang mit einem anderen Politikansatz, mit der Stimmung in unserer Bevölkerung und unseren finanziellen Möglichkeiten nachdenken. 1994 wurden 150 Millionen DM für Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgegeben - inzwischen sind das Milliarden Euro. Ende offen. Wir werden im Übrigen erleben, dass bei uns nachdrücklicher als bisher die Frage gestellt wird, erhöhen Auslandseinsätze unsere eigene Sicherheit oder tun sie das nicht? Wir haben zusehends erlebt, dass in dieser Hinsicht die Dinge überdehnt wurden. In Anbetracht der vielen Konflikte, die eskalieren können - Stichwort Irak, Iran, Nordkorea, China, Taiwan und Afghanistan - könnte dieses Pendel zurückschlagen. Außerdem sollte jede künftige Bundesregierung gehalten sein, sich mit der friedensbezogenen Politik eines aus Deutschland stammenden Kirchenführers im Vatikan zu beschäftigen. Benedikt XVI. hat da ebenso klare Vorstellungen, wie sie Johannes Paul II. vertrat. Da sind wir als eine sich christlich demokratisch verstehende Partei in einer sehr interessanten Situation.
Die Regierungszeit von Rot-Grün hat dazu geführt, dass heute der Krieg als Mittel der Politik als legitimiert gilt ...... als ein solches Mittel praktiziert wird, jedoch nicht legitimiert ist. Eine mögliche Völkerrechtsbasis hat man über konstruierte akademische Ansätze hinaus nicht gefunden.
Was der Praxis keinen Abbruch tat.Aber der Bereitschaft im Rest der Welt, in dieser Frage bedingungslos den Interessen Washingtons und Londons zu folgen. Gerade das erkennbar gegen Europa gerichtete Verhalten des britischen Premiers Tony Blair hat - was die Essentials unserer Außenpolitik und des Völkerrechts angeht - neues Nachdenken hervorgerufen.
Wenn man das auf den Punkt bringt und bedenkt, was Sie als friedenspolitisches Anliegen von Benedikt XVI. genannt haben, könnte das bedeuten: Fühlt sich eine christdemokratische Bundesregierung dem verpflichtet, gerät sie in Widerspruch zu Amerikanern und Briten. Ich will das nicht durchdeklinieren, was alles möglich sein könnte. Ich sage nur für den innerdeutschen Hausgebrauch - was die Kirchen übereinstimmend in der Friedensfrage formulieren, trifft das Empfinden der überwiegenden Mehrheit unseres Volkes.
Das Gespräch führte Lutz Herden
Die Außenpolitische Position von CDU/CSU und FDP
Auslandseinsätze der Bundeswehr weltweit | CDU/CSU Generelle Befürwortung, z. B. als Teil der EU-Battle-Groups oder »Internationaler Friedensmissionen«; globale Einsätze der Bundeswehr und »Heimatschutz«, u.a. durch denEinsatz der Bundeswehr im Inneren, sollenuntrennbar verknüpft sein. | FDP Ablehnung von »Kriegseinsätzen«; bestehende Einsätze sollen keinesfalls ausgeweitet, sondern überprüft werden; die politische Lösung von Konflikten soll wieder im Vordergrund stehen. |
Engagement im Irak | Keine Kampftruppen, aber im Falle eines entsprechenden UN-Mandats sollte Deutschlandnicht abseits stehen. | Keine Kampftruppen, Beschränkung auf » zivile Wiederaufbauhilfe«. |
UN-Reform | Handlungsfähigkeit stärken, UN zur »zentralen Institution« der »Weltinnenpolitik« machen; UN-Generalsekretär soll über ständigesMilitärkontingent verfügen können. | UN müssen zentrale Instanz internationalerKonfliktregulierung mit politischen Mittelnsein, höhere Effizienz der Weltorganisation. |
Ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat | Generelle Befürwortung, aber gekoppelt andie Übernahme einer erhöhten globalen Verantwortung Deutschlands. | Vorrangig sollte die EU ein ständiges Mandatim Sicherheitsrat erhalten. |
New York"; mso-fareast-font-family:"Times New Roman";mso-bidi-font-family:"Times New Roman"; mso-ansi-language:DE;mso-fareast-language:DE;mso-bidi-language:AR-SA">Erweiterung der EU | ||
EU-Aufnahme der Türkei | Keine Vollmitgliedschaft, sondern privilegierte Partnerschaft. | Vollmitgliedschaft möglich bei Lösung derZypern-Frage, Beitritts-Verhandlungen ergebnisoffen führen; Alexander Graf Lambsdorff/ MdEP: Frankreichs Nein zur EU-Verfassung ist ein Nein zum Türkei-Beitritt . |
NATO und transatlantische Beziehungen | Debatte um NATO-Reform überflüssig, »dasBündnis ist intakt« (W. Schäuble);Europapolitik darf nicht in Gegensatz zur»atlantischen Partnerschaft« gebracht werden; Ergänzung von EU und NATO. | Verbesserung der transatlantischen Beziehungen genießt »höchste Priorität«; Debatte über NATO-Reform darf nur innerhalb der NATO geführt werden. |
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