Massenkiller Auf einer deutsch-norwegischen Konferenz wurde im Kampf gegen Streubomben Bilanz gezogen. Das Ziel ist nicht mehr bloße Phantasie, die internationale Koalition wächst
An der Bar ist Abrüstung selten ein Thema, anders an diesem Berliner Juniabend auf dem Cocktailempfang des Auswärtigen Amts im Edelrestaurant Maximilians. Deutschland veranstaltet gemeinsam mit Norwegen eine zweitägige Fachkonferenz zum Thema Streumunition. Es geht speziell um die Erfüllung von Artikel 3 der Konvention über das Verbot von Streumunition (Convention on Cluster Munitions), der die fristgemäße Vernichtung der Waffenbestände vorsieht. Es handelt sich um den jüngsten Abrüstungsvertrag und damit einen größten Erfolge für die Internationale Koalition gegen Streumunition (Cluster Munition Coalition/CMC). Jahrelang haben die 300 Mitgliedsorganisationen aus 80 Ländern für die Ächtung einer der heimtü
unition (Cluster Munition Coalition/CMC). Jahrelang haben die 300 Mitgliedsorganisationen aus 80 Ländern für die Ächtung einer der heimtückischsten Waffen gekämpft. Denn Streumunition tötet oder verstümmelt bis heute immer wieder Zivilisten auch noch lange nach Beendigung der Konflikte. Jetzt ist das Ziel in greifbare Nähe gerückt.Ratifizieren und delaborierenDie Mitgliedsstaaten der Konvention verpflichten sich, Streumunition nicht einzusetzen, zu entwickeln, zu produzieren, anzuschaffen oder zu lagern. Sämtliche vorhandene Streumunition muss innerhalb von acht Jahren zerstört sein. In den betroffenen Gebieten sollte es nach zehn Jahren keine Blindgänger mehr geben. Für Säumige kann die Frist allerdings verlängert werden. Wer immer dem Vertrag beitritt, muss auch bereit sein, andere Länder zu unterstützen – von der medizinische Versorgung bis hin zur finanziellen und psychologischen Hilfe.Die Koalition hat gerade bei einer globalen Aktionswoche in Genf ihren ersten Jahresbericht vorgelegt. Der Report Banning Cluster Munitions: Government Policy and Practice dokumentiert: Die Zahl der Vertragsstaaten steigt. 98 Regierungen haben das neue Abkommen seit Dezember 2008 unterzeichnet, zehn Länder bereits ratifiziert: Albanien, Irland, Laos, Mexiko, Niger, Norwegen, Österreich, Spanien, der Vatikan und Sierra Leone. 30 Ratifikationen sind nötig, damit der Vertrag dann sechs Monate später in Kraft treten kann."Die Konvention wird dazu beitragen, dass Streumunition weiter stigmatisiert wird", versichert Thomas Küchenmeister vom Aktionsbündnis Landmine.de. Allerdings haben wichtige Staaten wie die USA, Russland, China, Indien, Pakistan, Israel und Südkorea das Verbot nicht unterzeichnet, ebenso wie insgesamt acht NATO-Staaten. Der Bundestag in Berlin hat dem Vertrag am 23. April zugestimmt, am 24. Juni überreichten Bundestagsabgeordnete das deutsche Gesetz gegen Streumunition symbolisch an die internationale Koalition. Es wurde ein großes Banner mit der Aufschrift Ban cluster bombs - Join the treaty gezeigt, ebenso wie eine Original-Streubombe vom Typ BL 755, versehen mit dem Aufkleber Ready for destruction.Die Berliner Konferenz soll den Unterzeichnerstaaten, die über nennenswerte Streumunition verfügen, eine erste Umsetzungshilfe geben. Da in der Bundesrepublik schon vor Jahren mit der Zerstörung von Streumunition begonnen wurde, können jetzt praktische Erfahrungen an die übrigen Vertragsteilnehmer weitergegeben werden. Das Zerlegen der Munition in ungefährliche Einzelteile, die so genannte Delaborierung, ist kompliziert und teuer. Journalisten konnten bereits vor der Konferenz im auf Demilitarisierung spezialisierten Spreewerk Lübben einen Eindruck davon gewinnen. Bei einer Werksführung wurde vorgeführt, wie eine Streubombe delaboriert werden kann.Verhängnisvolle AusnahmenÜber wie viel Streumunition die Bundeswehr genau verfügt, wird bisher geheim gehalten, die Zahl liegt vermutlich bei weit über 30 Millionen. Diese Bestände sollen laut Bundesverteidigungsministerium bis 2015 zerstört werden (Kosten: 50 Millionen Euro). Trotz des Verbots bleiben Entwicklung und Produktion neuer Bombentypen allerdings nicht ausgeschlossen. Entsprechend den Vertragsbestimmungen müssen zwar 95 Prozent des deutschen Reservoirs an Streumunition ausrangiert werden, aber Neubeschaffungen werden bereits anvisiert. Dass dies weiter erlaubt bleibt, trifft wie auch einige andere inkonsequente Regelungen zu recht auf Kritik. So sind bestimmte Arten von High-Tech-Munition vom Verbot ausgenommen, etwa sensorengesteuerte Punktzielmunition, mit elektronischen Selbstzerstörungs- und Deaktivierungseinrichtungen ausgerüstete Streuminen wie auch Dispenserwaffen, mit denen Streumunition verschossen werden kann.Die größte Schwachstelle des Vertrages aber verbirgt sich im Artikel 21. Er erlaubt den Mitgliedsstaaten, an gemeinsamen Militäraktionen mit Nicht-Vertragsstaaten teilzunehmen, also auch an NATO-Einsätzen mit den USA, selbst wenn die US-Armee Streumunition einsetzt. Diese Klausel, die auf Druck aus Washington aufgenommen wurde, verletzt den Vertrag in seinem Kern. Auch sollen amerikanische Bomben weiterhin in Stützpunkten der NATO-Partner gelagert werden dürfen. Die Gegner von Streumunition fordern daher von der Bundesregierung, dass sie auch bei ihren internationalen Partnern aktiv für eine Einhaltung des Verbots dringt und den Abzug der auf deutschem Boden gelagerten US-Streumunition verlangt.
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