Berichte vom saftigen Lendenstück

Bundesbank-Befund Die Deutschen sind im Schnitt reicher geworden

Der wirtschaftliche Aufschwung hat den Deutschen im vergangenen Jahr ordentlich Geld in die Kassen gespült. Ihr Geldvermögen legte um 225 Milliarden oder fünf Prozent auf gut 4,5 Billionen Euro zu. Es hat sich damit - statistisch gesehen - seit 1991 pro Haushalt fast verdoppelt", so berichtet das Manager-Magazin ohne jede kritische Anmerkung über den neuesten Monatsbericht der Bundesbank. Dabei lautet die statistische Logik der Banker in etwa so: Wenn ich 20.000 Euro Geldvermögen habe und mein Nachbar hat 10.000 Euro Schulden, dann haben wir beide im Durchschnitt 5.000 Euro Geldvermögen. Darüber kann sich mein Nachbar aber richtig freuen!

Eigentlich müsste ein homerisches Gelächter über diese in die Welt gesetzten Zahlen durch den Blätterwald schallen. Stattdessen aber wird die Angabe, wonach sich das durchschnittliche Geldvermögen je Haushalt von knapp 60.000 Euro im Jahr 1991 auf derzeit 115.000 Euro nahezu verdoppelt habe, von den meisten Zeitungen genauso wie vom Manager-Magazin einfach nachgeplappert. Dass dieser Durchschnittswert ohne jeden realen Aussagewert über die tatsächliche Verteilung des Geldvermögens ist, interessiert offenbar nicht weiter.

So schlicht ist eben die Wirklichkeit unserer Bundesbanker. Ihr etwas abgewandeltes Motto lautet offenkundig: Über die Frage, wer das Geld hat, spricht man nicht - Geld hat man.

Dass etwa nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2003 durchschnittlich alle, die bis zu 3.000 Euro verdienen, weit unter der Durchschnitts-Sparquote von 10,7 Prozent bleiben, dass alle, die ein Monatseinkommen von rund 1.000 Euro haben, im Durchschnitt verschuldet sind - dass alle, die über 4.000 Euro Monatseinkommen verfügen, aber eine Sparquote von 14 Prozent aufweisen und jene, die an die 7.000 Euro monatlich haben, sogar über 22 Prozent ihres Monatseinkommens sparen können, interessiert im Durchschnitt ja nicht. Die gleiche Ignoranz gilt im Monatsbericht der Bundesbank der Tatsache, wonach laut Armutsbericht der Bundesregierung die unteren 50 Prozent der Haushalte gerade einmal vier Prozent des deutschen Vermögens besitzen und die oberen zehn Prozent über 47 Prozent davon zu ihrer Verfügung haben. Wozu auch? Im Durchschnitt zählt eben nur das Geld und nicht, wer es hat. Hauptsache man gehört zu denen, die Geld haben.

Dass privater Reichtum etwas mit einem armen Staat zu tun haben könnte, dürfen die Banker, die ständig Steuersenkungen und staatliches Sparen anmahnen, selbstredend nicht ansprechen. Wenn der Staat in den vergangenen Jahrzehnten die Steuern gerade auch für diejenigen gesenkt hat, die ohnehin am Monats- oder Jahresende genug übrig haben, dann kann diese Einkommensgruppe, was sie an Steuern spart, eben zusätzlich privat sparen. Ja, sie kann sogar das zusätzlich Gesparte einem defizitären Staat wieder leihen und für all das durch Steuersenkungen Gesparte nochmals Zinsen vom Staat kassieren. Zinsen und Anleihen, die dann von unser aller Enkel an die erbenden Enkel als den künftigen Geldvermögensbesitzern zurückgezahlt werden dürfen. Kein Wunder also, wenn der Nettogeldbesitz ständig wächst. Auf diese Weise werden die deutschen Haushalte Ende 2007 ihr Geldvermögen von im Durchschnitt 115.000 Euro vielleicht gar auf 120.000 Euro steigern können - und dies wird im Einzelnen noch ungleicher verteilt sein als das in den zurückliegenden Jahren schon der Fall war.

Vielleicht verstehen wir jetzt auch besser, warum die Zentralbanker schon bei einer moderaten Inflationsrate von 1,9 Prozent auf die "Zinsbremse" treten und den Leitzins weiter anheben und damit sogar riskieren, den zaghaften Aufschwung abzuwürgen. Die Gründe sind ziemlich nahe liegend: Die Geldvermögensbesitzer müssen vor Inflationsverlusten geschützt werden und die Zinssätze für ihre Geldanlagen steigen. Schließlich könnten sonst Erfolgsmeldungen ausbleiben, dass "die Deutschen" ihr Geldvermögen erneut steigern konnten.

Wohlgemerkt, Geldvermögensbesitzer sind ja - im Durchschnitt - wir alle. Für wie dumm dürfen die Bundesbanker die übergroße Mehrheit der unterdurchschnittlichen Geldvermögensbesitzer eigentlich halten?

Wolfgang Lieb ist Mitherausgeber der NachDenkSeiten, er war 1996 bis 2000 Staatssekretär im Wissenschaftsministerium von NRW.


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