Beschleunigter Seitenwechsel

Positionspapier DIB SPD-geschleuderte Gentech für die CDU

Wer hat da nur von wem abgeschrieben? An diesem Donnerstag legt die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) ein Positionspapier für "Eine nationale Biotechnologie-Strategie - Anforderungen an die Bundesregierung" vor. Bereits am 15. Mai des Jahres reichten die CDU-Abgeordnete Katherina Reiche und andere einen Antrag "Weiterentwicklung einer Biotechnologiestrategie für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland" im Bundestag ein. Die im Kompetenzteam Edmund Stoibers großmundig als für Familienpolitik zuständig angekündigte Abgeordnete Reiche scheint nun aus dem Hintergrund in ihrem eigentlichen Metier zu operieren (vgl. Freitag v. 12. Juli 2002). In dem Papier wird die Bio- und Gentechnologie als eine "Leittechnologie für die nächsten Jahrzehnte" angepriesen.
Beide sehr umfangreiche Schriftstücke sind in allen wesentlichen Punkten wortgleich. So wird in den Abschnitten zur Gesundheitspolitik der gestiegene Bedarf an medizinischer Versorgung, die auch den "Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung" gerecht werden müsse, in Anschlag gebracht: "Selbst bekannte Behandlungsmethoden wie der Einsatz von Antibiotika", so heißt es beiden Papieren, "verlieren aufgrund zunehmender Resistenz der Erreger an Wirkung." Diese Tatsache wiederum wird als Begründung herangezogen, mittels "Biopharmazeutika" neuartige Medikamente herzustellen. Bis hierher sind sich Industrie und CDU einig. Während die CDU davon ausgeht, dass es für die "Hälfte aller Krankheiten" noch keine Heilung gibt, ist die Industrie der Auffassung, dies sei für "zwei Drittel aller Krankheiten" der Fall. Einig ist man sich darin, dass neu entwickelte Medikamente durch ein "beschleunigtes Zulassungsverfahren" auf den Markt gebracht werden müssen.
Vom Staat wird gefordert, mehr Mittel im Bereich der Bildungs- und Forschungspolitik - auch an private Institutionen und Unternehmen - zur Verfügung zu stellen. Die aus dieser öffentlichen Forschung resultierenden Erkenntnisse und ökonomischen Gewinne bleiben privatisiert. Dafür soll ein "wirksamer Patentschutz" sorgen. Zudem wird für "Biotechnologieunternehmen" eine Sonderbehandlung in der Steuergesetzgebung gefordert. Das steht zwar so explizit weder im Positionspapier der Industrie noch im CDU-Antrag, vielmehr wird laut über die Lockerung des steuerlichen Verlustabzugs nachgedacht, nachdem ausgerechnet die Kohl-Regierung diese Bestimmungen verschärft hatte, um Missbrauch vorzubeugen. "Wir teilen die Intention des Gesetzgebers", heißt es im DIB-Papier, doch "im Zusammenhang. mit der steigenden Zahl der Börsengänge bei Biotechnologieunternehmen erweisen sie sich als problematisch". Und so fordert pikanterweise auch der CDU-Antrag, die derzeitige Bundesregierung möge ändern, was die Vorgängerregierung verschärft hatte.
Für den Bereich der Lebensmittelerzeugung heißt es, die "Qualität von Lebens- und Futtermitteln" ließe sich "auch im Zusammenhang mit Krankheitsvorsorge und der Verringerung von Gesundheitsrisiken sehen". Zwar verstehe die Industrie, dass die Verbraucher wissen möchten, was sie kaufen. Doch dem Einverständnis mit dem Verbraucher wird die Warnung vor einer "übertriebenen Kennzeichnungswut" nachgeschoben. Dass nun auch der Gesetzgeber die "Rückverfolgbarkeit" gentechnisch veränderter Organismen verlangt, stößt auf Unverständnis: Wer sich gegen den Konsum "gentechnisch verbesserter" Produkte entscheide, müsse beim geplanten "Rückverfolgbarkeitssystem" mit "erheblichem technischen und finanziellen Aufwand" rechnen. Die CDU macht daraus: praktikable Kennzeichnung.
Die Ironie der beiden Positionspapiere wird deutlich, wenn man weiß, dass Jens Katzek, derzeit DIB-Geschäftsführer und Autor des Industriepapiers, einmal persönlicher Referent der heutigen Bundesforschungsministerin Edelgard Buhlman gewesen ist. Er wechselte dann zum Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und war dort über ein Jahrzehnt lang eine der Galionsfiguren der Gentechnikkritiker. 1998 wechselte er zur Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS), einem der führenden Gentechnikunternehmen im Bereich Pflanzenschutz. Er plädiere weiterhin für einen kritischen Umgang mit der Gentechnik, erklärte er beim Seitenwechsel, doch die Industrie biete ihm einen "anderen Toleranzspiegel", und hier könne er "ohne Scheuklappen" arbeiten. Ohne Scheuklappen hat er nun auch die CDU "gefüttert".

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