Chapeau vor der Belegschaft des Berliner Verlages! Und sogar einschließlich ihrer leitenden Angestellten. Derzeit riskieren sie eine kesse Lippe gegenüber alten und möglichen neuen Eigentümern ihres Betriebes, obwohl doch viele tausend erwerbslose Medienschaffende draußen nur darauf warten, einen ihrer Arbeitsplätze einnehmen zu können. In solchen Situationen wächst der individuelle Mut, wächst die Solidarität unter Kolleginnen und Kollegen und die Identifikation mit Betrieb und Arbeitsplatz. Da schafft man es auch nach mehrstündigen Versammlungen noch, eine Zeitung zu produzieren; und sie ist sogar besser als sonst.
Das ist so weit schön und gut. Doch welche Richtung soll diese Auseinandersetzung nehmen? Da müssen Fragen erla
ragen erlaubt sein. Relativ geklärt scheint, dass die Investoren namens 3i, Veronis, Suhler, Stevenson, repräsentiert durch Herrn David Montgomery von der Firma Mecom "böse Heusschrecken" sind. Montgomery hat tatsächlich bei seinem Wirken auf dem britischen Medienmarkt eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Der Daily Mirror, in den siebziger Jahren das führende Boulevardblatt, dessen Leitung er in den neunziger Jahren innehatte, leidet noch heute darunter, aussichtslos im Hintertreffen hinter der rechtsreaktionären Sun von Rupert Murdoch.Doch sind die derzeit diskutierten inländischen Alternativen besser? Alfred Neven DuMont spielt sich mittels eines Spiegel-Interviews mit zielsicherem Populismus in den Vordergrund: "Vielleicht bin ich ja altmodisch, aber hier wird keine Metzgerei verkauft." Sein Altmodischsein hinderte ihn jedoch so wenig wie den ebenfalls sich einmischenden WAZ-Konzern, Lokalredaktionen zu schließen, um absprachegemäß anderen Verlegern, zum Beispiel in Bonn ein fast hundertprozentiges Monopol zu überlassen, wie es Neven DuMont seinerseits in Köln und die WAZ im Ruhrgebiet bereits genießen. Publizistische Vielfaltssicherung sieht anders aus.Während die WAZ-Gruppe seit ihrem Bestehen als "Große Koalition" einer CDU-(Funke) und einer SPD-Familie (Brost) funktioniert, ist Neven DuMont ein FDPler. Angehalten durch seine Ehefrau wendet er sich immerhin gegen rassistische Erscheinungsformen in seinen eigenen Revolverblättern (Express), fährt aber ansonsten radikal wirtschaftsliberalen Kurs und ist höchstpersönlich als Investor des Oppenheim-Esch-Fond in fast jede Kölner Immobilien- und Korruptionsaffäre verwickelt. Wie praktisch, dass er also auch die Berichterstattung darüber kontrollieren kann. Dank engagierter Filmemacher, die im Auftrag des WDR und dessen Monitor-Redaktion arbeiten, entgleitet ihm diese Kontrolle schon mal. Aber das ist selten.Was beiden westdeutschen Investoren gemeinsam ist: ihre Renditeerwartungen unterscheiden sich nicht von denen internationaler "Heuschrecken". Von Skrupeln, für dieses Ziel Arbeitsplätze zu opfern, sind sie gänzlich frei. Ihr publizistischer Ehrgeiz beschränkt sich darauf, die Berichterstattung über ihr eigenes ökonomisches und politisches Handeln zu kontrollieren. Wenn es zu teuer ist, darf das Niveau auch niedriger, dürfen die Texte kürzer und die Zeitungen dünner sein. Vom kreativen Umgang mit neuen Medien lassen sie lieber die Finger, weil sie davon, so die weise Selbsteinschätzung, zu wenig verstehen. Die Berliner Zeitung würde in beiden Verlagen sofort mit weitem Abstand zum "Premiumblatt", was leider, die Kolleginnen und Kollegen mögen diese Bemerkung verzeihen, mehr über den "publizistischen Ehrgeiz" von WAZ und DuMont aussagt, als über "die führende Zeitung der Hauptstadt" (Chefredakteur Uwe Vorkötter). Dass Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet als größter deutscher Ballungsraum bis heute - ungerechtfertigter Weise - ein provinzielles und vergangenheitsbezogenes Image haben, verdanken sie zuvörderst solchen Medienhäusern.Bleibt der norwegische Multi Orkla, der nun auch beim Berliner Verlag vor der Tür stehen soll: Umsatz 1 Mrd. Euro, 50 Mio. Euro Gewinn, im Besitz von 31 Regionalzeitungen in Norwegen und 60 in Dänemark, darunter die Berlingske Tidende, sowie 20 Prozent Marktanteil in Polen (alles Orkla-Eigenauskünfte).Der Noch-Eigentümer des Berliner Verlages Holtzbrinck hat sich verrechnet. Er hat geglaubt, ein gutes Recht auf ein lokales Monopol in Berlin zu haben (Tagesspiegel plus Berliner Verlag), so wie Springer in Hamburg, die WAZ und DuMont im Westen, die Stuttgarter Zeitung im Südwesten oder Madsack in Hannover. Doch die politische Protektion in der alten Bundesregierung hat nicht ausgereicht. Clement war schon auf absteigendem Ast. Die Verlegersolidarität funktionierte nicht. Springer leistete Widerstand, um seine Position bei schwächelnden Verkaufsauflagen zu schützen. Jetzt scheint man bei Holtzbrinck vergrätzt, beleidigt und mit den Nerven am Ende.Nun kreisen die Geier. Manche sind deutsch. Manche nicht. Besser wäre, Holtzbrinck verkauft an die Belegschaft. Da wäre das Haus in besseren Händen. Auch wenn der Spiegel, zu 50,5 Prozent in Belegschaftsbesitz, vielleicht nicht unbedingt ein gutes Beispiel ist.