Bewahrt das Haus!

Dichter Das Schiffsmühler Fontane-Museum wurde geschlossen. Ein Skandal
Ausgabe 34/2020

Während sich Fontanes Geburtshaus in Neuruppin in privater Hand befindet, ist das Fontane-Haus in Schiffmühle ein Museum, das erst im vergangenen Jahr mit einer neu konzipierten Dauerausstellung wiedereröffnet wurde. Und trotzdem sind die Pforten jetzt geschlossen. Zum Ärger vieler Ausflügler – und der Betreiber. Ursache ist nicht Corona, sondern ein Konflikt um den Betreibervertrag, den die Stadtverwaltung nicht unterschreiben wolle. Was auch immer da vorgefallen ist: Die Schließung ist ein kulturpolitischer Skandal. Und kein Ruhmesblatt für die Kurstadt Bad Freienwalde, zu der Schiffmühle gehört.

Denn das kleine Fachwerkhaus gilt als einer der wenigen authentischen Orte des Schriftstellers Theodor Fontanes, dessen 200. Geburtstag erst im letzten Jahr groß gefeiert wurde. Hier lebte und starb Fontanes Vater, Louis Henri Fontane (1796–1867). Fontanes Eltern hatten sich 1847 getrennt. Während Mutter Emilie mit Tochter Elise 1854 nach Neuruppin zog, erwarb Vater Louis ein Jahr später in Schiffmühle ein Haus mit Garten. 1856 ist ein erster Besuch von Sohn Theodor überliefert: „Zu Papa nach Freienwalde. Sehr herzlicher Empfang“, notierte er im Tagebuch. Und ergänzt: „Runde 12 Stunden geplaudert.“

Später setzte Fontane Schiffmühle in seinem autobiografischen Buch Meine Kinderjahre ein literarisches Denkmal: „‚Laß uns hier eintreten‘, sagte mein Vater und führte mich in seine nach dem Hofe hinaus gelegene Schlafstube, drin sich außer einem sehr breiten Fenster auch noch ein ganz kleines Extrafenster befand, ein bloßes Kuckloch, das immer aufstand und vor dem ein Gardinchen im Winde wehte.“ Dokumentiert sind in der Ausstellung nicht nur das Alltagsleben des Vaters, sondern auch die Ausstattung des Hauses. Die Erstausgabe des 1894 erschienenen Buches gehört zu den Exponaten der Ausstellung.

Die Schließung des Fontane-Hauses ist auch ein finanzpolitischer Skandal. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 90.000 Euro aus kommunalen Mitteln der Stadt Bad Freienwalde sowie aus Fördertöpfen von „Kulturland Brandenburg“ in die nachhaltige Sanierung von Haus und Garten investiert. Am 17. Mai 2019 wurde das Haus wiedereröffnet. 4.500 Besucher kamen bis Oktober 2019 in das idyllisch an der Alten Oder gelegene Haus. Davon können andere regionale Kultureinrichtungen nur träumen.

Das Fontane-Haus ist mitnichten „nur“ ein Museum. Es ist ein Ausflugsvergnügen für die ganze Familie. In der Fontane-Stube wird das Vater-Sohn-Verhältnis thematisiert. Und in der Schiffmühle-Stube können sich die Besucher über die Insel Neuenhagen, die Ortsteile Schiffmühle, Neutornow und Gabow sowie die Funktionsweise von Schiffmühlen informieren. Im Außenbereich des Hauses befinden sich ein Bauerngarten, ein Pavillon, ein Aussichtspunkt „mit Fontane-Blick“ sowie ein Kleintiergehege.

Soll das alles umsonst gestaltet und finanziert worden sein? Es sei „ein Skandal“, schrieb Fontane an seine Frau 1857 aus London, „dass man sich um den alten Herrn [in Schiffmühle] nicht mehr bekümmert.“ Kümmert euch! Macht das Fontane-Haus wieder auf.

Info

Der Text erschien, leicht anders, erstmals in der Märkischen Oderzeitung am 15. August 2020

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