Billiges Öl ist gefährlich

Energie Die Preise für Benzin sind im Keller, so bleibt mehr Geld für den Konsum. Doch das ist kein Grund für Jubel. Die Regierung sollte jetzt die Dieselsteuer anheben
Ausgabe 04/2016

Es ist nichts mehr normal in der Welt der Ölindustrie. An den Tankstellen sind Diesel und Super für erstaunlich wenig Geld zu kriegen. Doch was die Autofahrer freut, ist Grund zur Sorge: Der globale Ölmarkt ist zu einem Schlachtfeld für machtpolitische Konflikte geworden.

Die Preisspirale dreht sich nach unten, seitdem die USA vor einigen Jahren ins Fracking-Geschäft im eigenen Land eingestiegen sind: Bei einem Ölpreis von um die 100 US-Dollar pro Barrel und marktbedingt weiter steigenden Preisen wurde das teure Fracking plötzlich konkurrenzfähig. Dank neuer Methode steigerten die USA die tägliche Förderung um bis zu zwei Millionen Barrel und reduzieren seither ihre Importe. Saudi-Arabien, seine Marktanteile bedroht sehend, förderte unverändert große Mengen weiter. Und die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) dehnte 2015 die Förderung sogar aus und sorgte für weiteren Preisverfall am Markt. Russland und fast alle anderen Konkurrenten lassen ihr Ölangebot ebenso auf hohem Niveau.

Seither ist der Preiskrieg eröffnet. Dessen unausgesprochenes Ziel: den Fracking-Markt über kurz oder lang unrentabel zu machen. Kurze Zeit schien die Strategie der OPEC aufzugehen. Doch die US-Fracking-Unternehmen sind resistenter als erwartet: Mit Effizienzprogrammen und finanzieller Unterstützung halten sie auch bei 50 Dollar pro Barrel noch mit. Folge: Die Preise sinken weiter, die OPEC schneidet sich ins eigene Fleisch. In nahezu allen ölexportierenden Ländern verursachte der niedrige Ölpreis enorme Probleme: in Venezuela, das über 80 Prozent seiner Wirtschaft durch Ölexport bestreitet. In Russland, das stark leidet und wie die arabischen Länder durch den Verkauf staatseigener Unternehmen Kapital zu erzielen versucht. In Saudi-Arabien, das zudem seine Ölsubventionen reduziert. Es geht nun nicht mehr nur um Geld und Marktanteile, sondern auch um Macht und Einfluss.

Der Preiskampf treibt wilde Blüten. Sicherlich gibt es derzeit ein Überangebot an Öl, obwohl die Nachfrage in China weniger stark gesunken ist als befürchtet. Dennoch ist der jetzige Ölpreisverfall in erster Linie auf Spekulation zurückzuführen. Es herrscht Hysterie auf den Aktienmärkten und es ist unklar, wie diese Achterbahnfahrt endet. Derzeit scheint sich der Ölpreis auf Talfahrt zu befinden. Doch in der Gemengelage aus wirtschaftlichen, geologischen und vor allem politischen Einflüssen kann sich das schnell wieder ändern. Eine Ölkrise ist nie ausgeschlossen. Schon gar nicht in einer so aufgeheizten Situation.

Das billige Öl ist dauerhaft kein Grund für Jubel. Zwar sind die Energiekosten hierzulande in einem Jahr um bis zu 12 Milliarden Euro gesunken. Privaten Haushalten bleibt so mehr Geld für Konsum. Doch der Exportnation Deutschland könnten die globalen Wirtschaftskrisen schnell gefährlich werden. Außerdem verleitet ein niedriger Ölpreis zu Verschwendung. Investitionen ins Energiesparen, vor allem im Gebäudebereich, und in mehr Effizienz drohen verschoben zu werden.

Das Beispiel VW

So behindert der niedrige Ölpreis die Energiewende und den Umstieg auf nachhaltige Mobilität mit Antriebstechniken ohne Benzin und Diesel – fatal für die Zukunft der deutschen Automobilindustrie. Das „Dieselgate“ made in Germany verdeutlicht, wie gefährlich rückwärtsgewandtes Management für den Technologiestandort Deutschland ist. Nachhaltige Mobilität vermeidet Staus, Lärm, Feinstaub und Emissionen. Mit der Energiewende steigt der Anteil Erneuerbarer und so die Strom-Angebotsschwankungen. Die dafür erforderlichen Speicher basieren auf der Herstellung von Wasserstoff oder Methan: potenziellen Treibstoffen für die Mobilität.

Wer den niedrigen Ölpreis als Krise erkennt und diese als Chance versteht, nutzt die Gunst der Stunde: Auf indirekte Dieselsubventionierung, bis zu sieben Milliarden Euro im Jahr, zu verzichten und die Dieselsteuer auf das Niveau der Benzinsteuer anzuheben, setzt staatliche Investitionsmittel für zukunftsgewandte Energieversorgung und Mobilität frei. Deutschland kann im globalen Öl-Oligopoly nicht mitspielen. Es muss sich davon unabhängig machen, egal wie hoch oder niedrig der Ölpreis ist. Die wirtschaftlichen Chancen stecken so oder so in der Energiewende.

Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin

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