Ganz in Weiß und inspiriert von Wolkenformen, Schneckengehäusen und Turbanen: Als die Hutmacherin Gabriela Ligenza jüngst in London ihre neue Hutkollektion vorstellte, waren die Hüte zwar ein Hingucker. Doch das Stilistische stand im Hintergrund. Mehr Aufsehen erregte, dass Ligenza die erste von einem 3-D-Drucker produzierte Hutkollektion präsentieren konnte.
Hüte, Kajaks, große Häuser und kleine Windräder, Lederjacken und Steaks: Jeden Tag berichten Medien über eine dreidimensional gedruckte Neuheit. Die dritte industrielle Revolution, wie sie der Ökonom Jeremy Rifkin beschwört, ist in vollem Gange: Jeder Mensch soll bald sein eigener Produzent sein.
Denn längst nutzt nicht mehr nur die Flug- und Automobilbranche hochspezielle, Tausende von Euro teure 3-D-Drucker für die Entwicklung von Prototypen und Kleinserien. Für Privatpersonen werden die Geräte immer erschwinglicher: Manch eines ist im Elektromarkt heute schon für 100 Euro zu haben. Zwar betonen Experten, dass die Schnäppchen höchstens für Spielereien taugen und die Druckqualität zu wünschen übrig lässt. Doch 3-D-Druck nährt die gegenwärtige Renaissance des Do-it-yourself- Prinzips. Wer beim letzten Stadtbummel keinen passenden Lampenschirm gefunden hat, der erstellt sein Wunschmodell am Bildschirm und schickt die Daten an seinen Drucker. Die Produktion eines kleinen Modellautos dauert höchstens 20 Stunden.
3-D-Drucker fertigen dreidimensionale Objekte, indem sie Material in dünnen Schichten auftragen und verfestigen. Die gängigen Geräte drucken meist mit zwei Materialien. Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat (ABS) ist ein reiner Kunststoff, wie er bei Legosteinen verwendet wird. Die Drucker erhitzen ihn auf 270 Grad. Die Alternative Polymilchsäure besteht aus Maisstärke und ist deshalb umweltverträglich, kompostierbar und energiesparender - für die Verflüssigung beim Druck genügen 220 Grad. Dafür sind Objekte aus diesem Material nicht spülmaschinenfest. Bestimmte Geräte erlauben die Verwendung von Materialien wie Gips oder Schokolade.
Viele Verfechter sehen im 3-D-Druck eine Revolution unserer Produktionsverhältnisse. Globale Wertschöpfungsketten sollen der Vergangenheit angehören und mit ihnen die Produktion einzelner Teile an weit voneinander entfernt liegenden Standorten, ihr emissionsbeladener Transport auf Straßen und per Flugzeug zum Ort ihrer Endproduktion. Wenn jeder seinen 3-D-Drucker im Keller stehen hat, dann wird die lokale Produktion von Alltagsgegenständen Realität. „3-D-Drucker werden unseren Umgang mit Rohstoffen verändern“, sagt der MIT-Professor Neil Gershenfeld. Wo bisher durch grobes Zurechtschneiden und Stanzen Material verloren geht, verspricht 3-D-Druck den Einsatz von immer nur so viel wie tatsächlich nötig ist. Zudem verliere der Güterverkehr an Bedeutung und durch die eingesparten Transportwege sänken die Treibhausgasemissionen, prophezeit der US-Thinktank Center for Climate and Security.
Doch hinter all dem Optimismus steckt ein gehöriges Maß an naiver Technikgläubigkeit. Das Versprechen lautet: Am quantitativen Niveau unserer verschwenderischen Konsumgesellschaften müssen wir nichts ändern, technologische Entwicklungen werden Überproduktion und Vermüllung in Wohlgefallen auflösen. Dass der 3-D-Druck größtenteils mit flüssigem Plastik (ABS) arbeitet, gerät gern in Vergessenheit. Doch wenn die Welt eines nicht braucht, dann ist es noch mehr Plastik.
Potenzial für Nischen
Gerade hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in einer Studie zum 3-D-Druck auf weitere mögliche Probleme hingewiesen, den Rebound-Effekt etwa: Wer selbst einen Lampenschirm einfach und schnell herstellen kann, der kann ebenso leicht mehrere Lampenschirme produzieren, mehr als er eigentlich braucht. Die bessere Ökobilanz eines einzelnen Produkts erübrigt sich, wenn es dafür in einer höheren Stückzahl hergestellt wird. Außerdem liefen gerade Laien mit ihrem Drucker zuhause Gefahr, wegen fehlerhafter Einstellungen ihres Geräts ganze Chargen unbrauchbarer Produkte zu drucken.
Mögen mit dem Hype um 3-D-Drucker zu hohe Erwartungen verbunden sein, in Nischen besitzen sie großes Potenzial. Etwa bei aufwendig zu produzierenden Teilen wie Prothesen. Und wenn 3-D-Drucker defekte Bauteile perfekt nachdrucken, dann ist dies ein echter Beitrag zum Klimaschutz. Denn die Werkstatt von morgen könnte so sämtliche Gebrauchsgegenstände wieder funktionstüchtig machen. Deren Ressourcen raubende Neuproduktion wäre überflüssig.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.