Bitte nochmal neu, Frau Rowling

Literatur Die Harry-Potter-Schöpferin dichtet ihren Charakteren nachträglich Diversität an. Unsere Kolumnistin hat da andere Ideen
Ausgabe 14/2019

Pünktlich, kurz vor dem 4. April, dem Blue Ray- und DVD-Erscheinungstermin von Fantastische Tierwesen, (einem Harry-Potter-Spin- Off-Movie), enthüllte J.K. Rowling, dass Herr Dumbledore und Herr Grindelwald vermutlich irgendwann mal Sex miteinander hatten. Ich habe ja Harry Potter nie gelesen, weiß also nicht, wer die beiden sind. Aber ich bin auch nicht die Zielgruppe, denn ich habe kein Blue-Ray-Abspielgerät. Ich habe vor Jahren mal bei einem Kumpel von meinem Ex die ersten zehn Minuten von Avatar auf Blue Ray gesehen, dann bin ich eingeschlafen. Das war bisher der einzige Blue-Ray-Kontakt in meinem Leben. Science Fiction, Fantasy und Blue Ray schläfern mich sofort ein. Mein Hirn braucht Realismus, sonst falle ich in Narkose.

Ich habe Harry Potter aber nicht etwa wegen der nachträglich angedeuteten homosexuellen Stellen nicht gelesen, sondern wegen Harry Potter. Brille, dunkelhaarig, Zauberer, zu jung – er ist einfach nicht mein Typ. Potter ist ein Zauberer in einer Muggel-Familie, also irgendwie transgender, modern gesagt. Damit konnte sich Ende der 90er-Jahre fast jeder identifizieren. Ich aber nicht. Das ist ja ein alter Kinderbuch-Trick: Außenseiter gegen langweilig. Das sah man ja auch bei Pippi Langstrumpf versus Thomas und Annika. Die Langstrumpf war mir nie besonders sympathisch, weil viel zu laut und naseweis. Ich hatte schon ein paar Mal im Leben mit Mädels von der Sorte Ärger – und ich bin bestimmt keine Annika! Harry Potter Band eins habe ich nach den ersten Seiten wütend weggelegt.

Denn, wie gesagt, Potter ist nicht mein Typ und ich lasse mich doch von irgendeiner J.K. Rowling nicht als Muggel bezeichnen, bloß weil ich nicht zaubern kann. Aber Rubel müssen rollen und Blue Rays sich drehen. Zeilen wollen gefüllt und Kinder ernährt werden. Das ist der Lauf der Welt.

Vielleicht sollte Rowling bei nächster Gelegenheit das ganze Potter-Ding nochmal komplett neu schreiben, mit jeder Menge LGBTQI-Sex und nach meinen Vorgaben. Potter sollte blond, muskulös und Mitte 40 sein. Bisher ein Weiberheld, aber jetzt auf der Suche nach der großen Liebe. Er sollte auch anders heißen, Harry ist nun wirklich kein schöner Name. Potter geht auch gar nicht. Warum nicht einfach P.? Henry P. wäre gut. Henry P. in einer Großstadt, ein alter weißer Mann auf dem absteigenden Ast, zwischen Geldsorgen, Lügen und Sex. Alle sind so anders neuerdings, so farbig, so queer, so jung. Nur er ist immer noch der Alte und neuerdings auch noch alt. Diversity killed the tomcat.

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