Blamierte Wahlkämpfer

Opel Vom Werben zugunsten von Magna haben sich die Parteien Rückenwind versprochen. Nun entpuppt sich die Festlegung als riskanter Einsatz – und als außenpolitisches Problem

Magna, Magna, Magna: Die Spitzen der Regierungsparteien haben in den vergangenen Wochen keinen Zweifel daran gelassen, in wessen Händen sie die vom Mutterkonzern General Motors abgetrennte europäische Tochter New Opel am liebsten sähen. Selbst der Wirtschaftsminister hatte sich zuletzt klar positioniert. Dabei ging es längst nicht mehr nur darum, einen Wunschkandidaten zu benennen. Die Koalition und die Ministerpräsidenten der Standort-Länder haben alle Register gezogen – mal wurde die Verweigerung von Staatsgeldern angedroht, mal ein nationaler Alleingang bei der Finanzierung eines Milliardenkredits ins Spiel gebracht.

GM reagierte bisher unbeeindruckt und versagte der deutschen Seite den Erfolg, sich als Retter zu inszenieren. Am Dienstag wollten sich die Kanzlerin und ihr Wirtschaftsminister vor der Presse präsentieren. Nach der Sitzung des Detroiter Verwaltungsrates Ende vergangener Woche wird daraus nichts. Stattdessen geistern Szenarien durch die Medien, die weder Kanzlerin noch Kanzlerkandidat gefallen dürften. Dabei geht es längst nicht mehr allein darum, ob der ungeliebte Investor RHJ zum Zuge kommt. Will GM, so wird spekuliert, Opel überhaupt noch verkaufen? Scheitert der Deal, sind die Wahlkämpfer blamiert.

Dass die Magna-Begeisterung deutscher Politiker mit einer realistischen Einschätzung darüber zu tun hat, unter welcher Regie die Zukunft von Opel am ehesten gesichert wäre – diesen Eindruck konnte man nie so recht gewinnen. Dass über den Horizont ölgetriebener Individualmobilität nicht hinausgeschaut wurde, hatte man nicht anders erwartet. Skeptische Einschätzung von autoaffinen Experten galten aber ebenso wenig. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, Opel sei in der Branche kaum überlebensfähig weil zu klein. Und man fragte sich, warum in einer Zeit, in der andere Konzerne mit bisherigen Konkurrenten zusammengehen, um sich mit schierer Masse gegen den absehbaren Untergang zu versichern, ausgerechnet Opel die Ausnahme bleiben soll?

Beim Ringen um Opel sind solche Fragen erfolgreich verdrängt worden. Irrsinnsprojekte wie die Abwrackprämie haben dabei geholfen, die Vergangenheit als Zukunft anzusehen. Für weiter gehende Alternativen, bei denen ein „VEB Opel“ zum Labor einer neuen Konversionspolitik hätte werden können, standen die Zeichen zu keinem Zeitpunkt besonders günstig. Und das aktuelle Gezerre wird die Begeisterung für staatliches Engagement auch nicht gerade erhöhen.

Wenn jetzt bereits von einem „transatlantischen Streit“ die Rede ist, die britische Regierung davor warnt, dass eine Entscheidung über den Investor nicht "von politischen Erwägungen in dem einen oder anderen Land verzerrt werden" dürfe, und in Belgien Brandbriefe an die Europäische Kommission angekündigt werden, dann gilt das nicht nur für die Alleingänge der deutschen Seite.

Opel-Politik macht nicht nur das Kabinett Merkel-Steinmeier, sondern auch die US-Regierung. Die hat offenbar mitbekommen, dass Opel für GM viel wichtiger ist, als man im Angesicht des (längst beendeten) Insolvenzverfahrens wahrhaben wollte. Eine Wende hin zu grüner Technologie, ein Lieblingsprojekt von Barack Obama, ist ohne die Kapazitäten in Rüsselsheim schwerlich denkbar. Da mag der angeblich „neutrale Vorsitzende“ des Opel-Treuhand-Beirates, Fred Irwin, noch so oft behaupten, die GM-Führung würde „völlig unabhängig entscheiden“. Die GM-Bosse Henderson und Smith agieren mit Rückendeckung ihres Großaktionärs – der US-Regierung.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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