Blöde Idee

Quellenschutz Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Seehofer will die Pressefreiheit einschränken
Ausgabe 23/2019
Auch eine Einschränkung der Pressefreiheit wird Seehofer nicht dabei helfen, das Gesagte ungesagt zu machen
Auch eine Einschränkung der Pressefreiheit wird Seehofer nicht dabei helfen, das Gesagte ungesagt zu machen

Foto: Miguel Villagran/Getty Images

Die Verfassungsrichter von 1966 hätten vergangene Woche wohl mahnend den Zeigefinger gehoben. Zur Pressefreiheit, betonte das Gericht damals im sogenannten Spiegel-Urteil, gehöre auch der „Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und privaten Informanten“. Dieser sei unentbehrlich, da die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten könne. Solche Informationsquellen, so das Gericht weiter, „fließen aber nur dann ergiebig, wenn sich der Informant grundsätzlich darauf verlassen kann, daß das ‚Redaktionsgeheimnis‘ gewahrt bleibt“.

Warum hier nun längst vergessene Grundsatzurteile in Sachen Medien rausgekramt werden? Die Frage kann am ehesten Horst Seehofer beantworten. Durch einen Entwurf seines Innenministeriums könnte der Schutz des Redaktionsgeheimnisses durch die digitale Hintertür ausgehebelt werden. Die Beiläufigkeit, mit der dies umgesetzt werden soll, beleidigt die Pressefreiheit.

Durchsuchungen im Netz sollen nach dem Entwurf für ein „Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“ neu geregelt werden. Vier Gruppen von Geheimnisträgern bleiben dem Papier zufolge geschützt: die drei As (Anwälte, Ärztinnen, Abgeordnete) und Priester. Die normalerweise ebenfalls als schützenswert aufgezählten Journalisten werden dagegen nonchalant vergessen.

Formuliert wird es in dem Entwurf nicht so, „Reporter ohne Grenzen“ prangert allerdings an: „Es wäre also möglich, Server großer Verlage und Rundfunksender zu hacken, zu durchsuchen und dabei den Schutz von Hinweisgebern aufzuheben.“ Journalisten würden das nicht einmal bemerken. Alarmierend ist dabei auch, dass für ein solches Ausspähen kein Richter sein Go geben müsste. Laut Entwurf könnten Geheimdienstler das Redaktionsgeheimnis einfach links liegen lassen, wenn ihrer Meinung nach andere Ziele schwerer wiegen. Nur die sogenannte G-10-Kommission würde hinzugezogen. Deren Entscheidungen sind – Überraschung – geheim.

Quellenschutz und Beschlagnahmeverbot würden damit zu einem Nebensatz degradiert: Die vertrauliche Kommunikation ist geschützt, solange es Geheimdienstlern in den Kram passt. Das BMI will solche Befürchtungen nun offenbar als mediale Überreaktion abtun und bezeichnete sie als „haltlos“. Man wolle Terroristen und Extremisten bekämpfen, keine Journalisten, twitterte Seehofer. Um Restzweifel auszuräumen, solle „dieser Punkt im Gesetzgebungsverfahren deutlich gemacht & im Gesetz klargestellt“ werden.

Aber auch das verkennt die Lage. Es geht nicht um Reste an Zweifeln, sondern um die Grundfesten des Redaktionsgeheimnisses in der digitalisierten Medienwelt. Damit schadet Seehofer aber nicht nur der Pressefreiheit und der Allgemeinheit, sondern auch dem gesamten Politikbetrieb.

Denn solche Planungen könnten leicht dazu führen, dass sensibles Material nicht mehr Redaktionen zugespielt wird, in denen erfahrene Journalisten die Informationen prüfen, das öffentliche Interesse abwägen und lediglich die relevanten Teile verwerten. Stattdessen könnten brisante Informationen, wie etwa das Strache-Video, künftig häufiger auf nichtredaktionellen Plattformen geleakt werden – inklusive privater Daten und Details, die keinen öffentlichen Erkenntnisgewinn haben, Einzelpersonen jedoch Schaden zufügen können.

Zwar stellt sich der Koalitionspartner SPD gegen den Entwurf, aber ihm fehlt bisher der Rückenwind. Deshalb sind Redaktionen und Öffentlichkeit dringend aufgerufen, sich dieses Themas anzunehmen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – nicht wahr, Herr Innenminister?

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