#Cheapmonday #Holocaust #Feelgood #Zyklonb #Auschwitz #Interrailing #Fun. Das ist eine willkürliche Hashtag-Folge, also eine Kategorisierung der Fotoplattform Instagram, in der man unter anderen das Foto eines Mädchens sehen kann, das sich grinsend vor den Gaskammern in Auschwitz fotografiert hat. Über 50.000 solcher Selfies gibt es allein unter #Holocaust. Lachende Teenies fotografieren sich selbst. Im Hintergrund Treblinka, Buchenwald, Genickschussanlagen, Denkmäler. Wahrscheinlich ist der Holocaust noch nie so banalisiert worden und im Abenteuertourismus verschwunden wie heute. „Fun ist ein Stahlbad“, hieß es doch in der Dialektik der Aufklärung.
Während also diese Holocaust-Selfies zu Tausenden im Internet zu finden sind, hat der neue Film Der letzte der Ungerechten von Claude Lanzmann in Deutschland nicht einmal einen Verleih. Am vergangenen Sonntag hat der nun schon 87-jährige Regisseur dieses Werk in Berlin vorgestellt. Der letzte der Ungerechten ist ein Porträt von Benjamin Murmelstein, dem einzigen Überlebenden und letzten Judenältesten aus dem Ghetto von Theresienstadt. Die Rolle dieser Judenräte war es, die Befehle der Nationalsozialisten umzusetzen, gleichzeitig waren sie ihnen aber auch als Vertreter der Gefangenen ausgesetzt. Nach dem Krieg wurde ihnen gar eine Mitschuld gegeben, und der jüdische Religionshistoriker Gershom Sholem beispielsweise forderte für Murmelstein, der mit einiger Strenge Theresienstadt vor der Vernichtung zu bewahren versuchte, die Todesstrafe. So eine Forderung spricht vor allem für das Trauma und die tiefe Erschütterung menschlicher Ordnung.
Lanzmanns Film, der Benjamin Murmelstein erzählen lässt, wird über die bekannten Vertriebswege hier nicht in die Kinos kommen, weil kein Verleih glaubt, die nötigen 40.000 Zuschauer zu erreichen, die es bräuchte, um die rund 200.ooo Euro Vertriebskosten zu decken. #expensive. Der Film hatte Anfang des Jahres in Cannes Premiere.
Was das bedeutet? Nichts, was übersichtlich wäre. Der Umgang mit dem Holocaust ist dann easier, wenn man sich mit zehn Fotofiltern vor eine Gaskammer stellt und #interrailing #KZ drunterschreibt, statt wie Lanzmann das ungelöste Rätsel des 20. Jahrhunderts zu zeigen. Dass nämlich hatte er uns in seinen mehrstündigen Epen über die Shoa getan. „Sich zu erinnnern ist gefährlich“, sagt Murmelmann an einer Stelle in dem vierstündigen Film, der einen Sog entwickelt und ein großer Kinomoment ist.
Das ist ein Skandal, nicht nur ein deutscher, und er erzählt von einem Markt, der ohne den Knall in den ersten 15 Minuten an keinem Film mehr interessiert ist. Er entlarvt ein Empfinden und einen Vertrieb, der nach der Masse von (zu erwartenden) Likes entscheidet, statt nach Dinglichkeit und Anstand. Insofern ähnelt der Filmmarkt manchmal genau dem Hipster auf Instagram, der sich und im Hintergrund die Gaskammer in goldene Retrofarben taucht, um bloß keine komischen Gefühle aufkommen zu lassen.
Vielleicht ist es ratsam, genau von diesem Betrieb Abstand zu nehmen und wie Jean-Luc Godard seine Filme eigenständig über das Internet zu vertreiben und endlich uns zu überlassen, was wir sehen dürfen und was nicht. „Die Vernichtung der Juden weltweit. Das verändert die Welt grundsätzlich“, das hat Benjamin Murmelstein auch gesagt. Die Leute sollten sich das anschauen dürfen.
Kommentare 13
danke für den beitrag ... ich hab zwar von filmverleih keine ahnung ... aber die ökonomischen kriterien treiben da volkverdummenden schwachsinn, der sich wohl ökonomisch "rechnet" ...
und wäre es nicht auch mit dem "bildungsauftrag" der ör tv-sender möglich - wenn gewollt - solche filme der allgemeinheit zu zeigen ... die müssen doch in geld schwimmen mit ihrem quoten-schwachsinn ...
Ich habe die Feststellung gemacht, dass bestimmte Beiträge gegen die “ Volksverdummung “ entweder ziemlich spät am Abend oder auf “ kleinen “ Sendern kommen. Leider habe ich den Verdacht, dass auch irgendwie der Zeitgeist daran schuld ist. (Die zwei deutschen Diktaturen, Totalitarismus, Ausblendung wer auch vom Holocaust mit profitiert hat – das darstellen Adolf Hitlers als beschränkten Einzeltäter ( ist mir nicht nur einmal aufgefallen ) usw. Ein für mich glaubwürdiger Zeitzeuge wie SPD-Legende Egon Bahr davor warnt, »die Leichenberge der Nazis mit den Aktenbergen der Stasi zu vermischen« sehe ich genau so. Und wenn Leute heute behaupten das “ Die NS-Zeit sei die am besten erforschte Periode der deutschen Geschichte “ dann kommt bei mir nur ein nachdenkliches leise so, so! Eine ehrliche Debatte ist nicht gewollt.
Sie haben zweifellos Recht mit Ihrer Meinung, dass das öffentlich-rechtliche TV hier einspringen müßte, um diesen Film einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es entspräche exakt dem sog. Bildungsauftrag unserer ör. TV-Anstalten. Lanzmanns "Shoa" war ebenso sehenswert wie seine Biografie "Der patagonische Hase" lesenswert ist.
http://www.zeit.de/kultur/literatur/2010-09/claude-lanzmann
Es sind schlimme Zeiten. Gut, rückblickend sagt man in der zukünftigen Gegenwart immer: das war`n noch Zeiten..., aber das wird für unsere momentane Zeit nicht zutreffen - glaube ich.
Unsere Gegenwart ist ist geprägt von soziokultureller Verwahrlosung, hemmungslosen Konsum und diffuser Kriege, in denen wir uns vor Feinden der Verwahrlosung und des Konsums schützen. Völlig absurd, aber viel mehr bleibt da nicht, trotz allen Bemühens Vereinzelter.
Vor 100 Jahren stand der Menschheit die Katastrophe und das Grauen zweier Weltkriege noch bevor, und heute ist es für viele Menschen gefühltes Mittelalter. In der DDR wurde das Bewusstsein an dieses schwarze Vermächtnis deutscher Geschichte, Instrumentalisierung hin oder her, von Kindheit an geschärft -
zwischen Flensburg und München gabs und gibt es dafür bis heute gut besuchte Kameradschaftstreffen.
Das hat mich schon als Kind schockiert. Und ist doch nur Ausdruck jahrelanger Konditionierung.
Der Holocaust wurde noch nie so banalisiert wie heute?
Ja, und nein. Meine - zugegeben - gute Antwort:
Heute ist ja auch Dezember 2013, das kann sich zB. Juni 2014 wieder ändern.
Ich denke immer dass beim Thema Holocaust genau unterschieden wird 'aus welcher Sicht sehe ich?'
Bin ich Jude, bin ich deutscher (ohne Jude).
Die meisten deutschen Nicht-Juden denken sie haben begriffen, abgehakt.
1918, 1933, 1945, Krieg und Tod, Zerstörung und Vertreibung, da ist der Holocaust schon mit abgegollten.
Und wenn Juden ihnen/uns noch mal detailierte Geschichten vom Horror erzählen, dann ist man schon dabei und empfindet Ekel. Wenn nur nicht die Deutschen und die Juden so schrecklich von einander getrennt wären. Die Juden mit ihrem Ding, die Deutschen (Niederländer, Franzosen, Czchechen, Polen, Dänen.. ) mit ihrem. Und immer wieder hört man "ach ja, da war ja das mit den Juden auch noch".
2013 hat sich schon leider alles relativiert, das individuelle Schrecken des einzelnen im Moment gegen ihn, Angst und die letzten Sekunden die er erblickte, bevor höhnische Prozeduren "Zack" machten, und Papa war tot, das alles geht immer allen am Arsch vorbei.
Und auch wieder nicht, in bestimmten Momenten.
Ein wahrer, aber auch ratloser Artikel.
Ich habe gerade "Ein letzter Besuch" gelesen, der das GEspräch zwischen Helmut Schmidt und dem ersten Premierminister von Singapur, Lee Kuan Jew gelesen. Aus Lees Sicht ist Europa (und das mag für Deutschland besonders gelten) wegen der beiden Weltkriege kriegsmüde, des Ruhms überdrüssig und zufrieden damit, ein ruhiges behagliches Leben mit guten Sozialleistungen zu führen, wie es in der Übersetzung heißt.
Eingerichtet wurden die Bequemlichkeiten von der Generation, die den Krieg aus eigener Anschauung kannte, und die Unsicherheit und auch Fragen des Nachwuchses über alles das fürchtete.
Das war bisher erfolgreich: die eingerichtete Bequemlichkeit und das gewollte Vergessen hat schon mehrere Generationen erreicht, hat aber bei den heute jungen am reinsten gegriffen: overprotected mehr als jemals eine Generation zuvor und durchgängiger erzogen, Fragen erst gar nicht zu stellen - ist die Harmlosigkeit der Selfies eben der Preis für das gewollte Vergessen!
Gewollt aber von Großeltern und Eltern, die mit ihren Gaben von ihren Taten ablenken wollten, die vergessen wollte, um ein neues Leben zu beginnen. Man nennt das Verdrängung, und die wurde vererbt.
Denn echte Harmlosigkeit benötigt nicht die Sensation morbider Kulissen, macht keine Fotos - so wenig, die de Sade ein Ungläubiger war, da er die Atmosphäre von Kirchen als Kick benötigte.
Die Selfies zeigen, dass es der Tabubruch ist, der fasziniert: sie sind insofern Symptom des Vergessenen, das hier grinsend zeigt, dass - das Vergessen nicht gelungen ist!
Es ist interessant, dass Sie hier ausgerechnet die ZEIT verlinken.
Die Zeit ist einer der Hüter des Tabus: sollten Sie dort eine Politikerhatz a la Wulff mit der Mahnung versehen, dass es auch im 3. Reich so angefangen hat, dann werden Sie mit der Begründung der "Verharmlosung des Holocaust" nicht nur gelöscht, sondern gesperrt.
Signifikant für die die ZEIT, dass für sie der Vergleich mit damals automatisch bedeutet, dass gemessen an der heutigen Zeit die Vergangenheit verharmlost wird. Und nicht, dass durch den Vergleich auf heutige Gefahren hingewiesen wird.
DAS GENAU sind die Mechnismen der Verdrängung, die kein Film beheben kann. Durch das ständige Betonen der damaligen geradezu mystisch unbegreiflich schlimmen Zeit wird verhindert, heutige gefährliche Entwicklungen zu erkennen. Und dabei ist die ZEIT Vorreiter mehr als jedes andere Blatt.
Ich verlinkte auf einen Artikel von Gero von Randow zum Thema Biografie von Claude Lanzmann, der mich seinerzeit veranlasste, das Buch zu kaufen und durchzuarbeiten. Über die Haltung der ZEIT-Redaktion zum Thema Leserkommentare im Zusammenhang mit dem Holocaust hat das weniger zu tun. Bis vor 4 Jahren war ich relativ aktiv bei den Leserartikeln der damaligen ZEIT-online-Community, die dann vom damals neuen Online-Chef Blau wohl auf Weisung des Hauses Holtzbrinck systematisch und zielstrebig abgewürgt wurde...vermurlich wegen zu liberaler und "linker" Meinungsäusserungen.
Die Hinweise von Gero von Randow zu dem wirklich lesenswerten Buch von Claude Lanzmann halte ich nach wie vor für gut...lediglich sein Hinweis, dies sei eine "Pflichtlektüre" für Deutsche halte ich für etwas oberlehrerhaft.
Meine Antwort war auch nicht gegen Ihre Lektüreempfehlung gerichtet. Da diese jedoch zufällig aus der ZEIT entnommen ist, habe ich den Anlass verwendet, auf die Rolle der Medien, hier insbesondere der ZEIT, bei einem unguten Umgang mit der Vergangenheit hinzuweisen.
Das pseudomoralische Gebot, die aktuelle Gesellschaft immer gut finden zu sollen mit dem Verbot, über Vergangenheit nachzudenken ist genau der Grund, weshalb ich junge Menschen, die nicht zum Verstehen, sondern nur zum Ekel angehalten werden, in dieser trotzig-morbiden Reaktion der Selfies verstehen kann.
Ich bin da eher Kantianer, der schönen Gefühlen und deren Tragfähigkeit und Zuverlässigkeit mißtraut. Schließlich haben auch gerade die, über die wir uns heute so empören, ausschließlich an "reinrassige" Gefühle appelliert.
Wie wer jemand über den Umgang mit der deutschen Vergangenheit umgeht, zu urteilen, steht mir nicht an. Ein Urteil über diese Vergangenheit, deren Ursachen und den daraus resultierenden Konsequenzen traue ich mir hingegen durchaus zu. Das, was die Deutschen bis heute belastet, zu Recht belastet, ist unverzeihlich und kann auch niemals wieder "gutgemacht" werden.
Nur kann man die Nachkriegsgenerationen damit nicht mehr belasten.
Wünschenswert ist es vielmehr, dass die Kinder und Enkelkinder der Schuldigen erkennen, dass es möglich ist, Schuld auf sich zu laden, wenn man zu bösartigen Entwicklungen schweigt.
Dies trifft übrigens auch auf andere Nationen und deren Bewohner zu.
Ich denke, die Verantwortung für eine "geerbte" Schuld (und auch jede andere) liegt insbesondere darin, sie sich ohne Selbstmitleid anzusehen und zu verstehen. Zu verstehen, dass das sich schuldig machen und nicht nur das dazu schweigen, ein Phänomen der menschlichen Natur ist, und eben nicht irgendeine Ausnahme. Und dass dagegen nur hilft, sich seiner sehr bewusst und verantwortlich zu sein. Was damit anfängt, dass man mit auch mit verbalen "Steinigungen" irgendwelcher Politiker zurückhält und hier sachlich und fair ist. Denn das Bashing, das ist die erste Stufe. Wird es erlaubt und belohnt, dann wären auch Kristallnächte wieder möglich. Auch heute, und mit "ganz normalen Menschen". Ich halte daher das Milgram-Experiment für eines der aufschlussreichsten.
Nun, nach dem der Mensch die Zeit erfunden hat, durch Bewegung im Raum und künstliches Verbinden der Momente, sind also wieder knapp 100 friedliche Jahre hier geflossen.
Und wenn kurz nach 2040 wieder Millionen in Asien oder sonst wo das zeitliche gesgenet haben, und Europäer ohne russisch zu lernen den nächsten Mai gesehen haben, bleibt nicht nur alles wie es war, es sieht auch blasser aus.
Blasser, da andere Wellen schlagen, von jenen angeregt, die vorher schlugen. Filme weden nicht nur den Filmemacher unterhalten, sie werden weniger und weniger.
Selbst 77 österereichische SS-Männer aus den vierziger Jahren, im Auftrag der Finsternis in den Osten geschickt, tauchen retrospektiv auf um wieder eine alte Zeit zu beschreiben die die normale Erna aus Hamburg nicht hatte, als sie verpasste zu demonstrieren dies und das. Und keine, keine Zeitung. Und 77 SS-Männer aus Östereich werden als die eigentlichen Techniker beschrieben die 100 Jahre lang die Definition bestimmten wer ein Englein wird. Der Rest wird Krieg sein.
In der Zwischenzeit, zwischen den grossen nötigen Konflikten um Handel, seine Routen und Orte, zwischen den Zeiten, heute, wiegt der Tod der Vierziger noch etwas.
Aber die verdammte Zeit rückt die Kriegserklärungen - völkerrechtskonform, und die Überfälle - völkerrechtswiedrig, in den Hintergrund.
Noch sind die Moden und Filme. Die Mode die Schuld, die Mode und wir guten.
Schon tauchen neue auf, Cherubim die man nicht kennt, und nicht weiss wie sie aussehen. Der Talmut handelt es ab sowieso. Film.. .
Chinesen die Amerikaner schon 40Meilen früher erkennen, nichts anderes. Dann ist auf jeden fall wieder etwas Glauben und Schuld drinn.
Würde man alle Hipster/Instagrammer in einen Raum setzen und ihnen Nuit et Brouillard von Alain Resnais vorführen, wäre dieser Trend ganz rasch vorbei. #Brain #Missing.