Bloß nicht beim Leben erwischen lassen!

Fußball Auch Sportler feiern gern und halten sich nicht immer an die Regeln. Ist das so verwunderlich?
Ausgabe 04/2021
Breel Embolo, Schweizer Nationalspieler und zur Zeit bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag
Breel Embolo, Schweizer Nationalspieler und zur Zeit bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag

Foto: Norbert Schmidt/Imago Images

Breel Embolo ist ein bekannter Fußballspieler. Der Stürmer wurde als größtes Talent der Schweiz gepriesen, Schalke 04 gab viel Geld für ihn aus, mittlerweile dient Embolo der sportlich höherwertigen Borussia aus Mönchengladbach. Vor gut einer Woche hat er sich einen Namen über die Blase seines Sports hinaus gemacht. Weil er an einem Abend gleich mehrere Corona-Regeln brach: nach 21 Uhr unterwegs gewesen, mutmaßlich an einer Party mit diversen Damen teilgenommen, über die man sagte, sie seien leicht bekleidet gewesen (und damit ist nicht der Mund-Nasen-Schutz gemeint), schließlich bei Eintreffen der Polizei übers Dach in eine fremde Wohnung geflüchtet und so getan, als wäre es die eigene. Sogar in einer Badewanne soll Breel Embolo sich versteckt haben. Jedenfalls genug an kuriosem Verhalten, um bei der Bild-Zeitung groß rauszukommen.

Storys über Exzesse von Sportstars verkaufen sich immer gut. Doch sind sie wirklich so erstaunlich? Am leistungsfähigsten ist ein Sportler – vor allem in Sportarten, in denen es auf Schnelligkeit ankommt – zwischen 20 und 30 Jahren. Das ist allerdings auch genau das Alter, in dem der Mensch sich am intensivsten ausleben will und der Körper noch die Reserven dafür bietet, am Montagmorgen die Geschehnisse des Wochenendes zu überspielen. Mancher Athlet, der zu viel feiert, macht dann vielleicht nicht die ganz große Karriere, die für ihn in den Wunschvorstellungen seiner Fans vorgesehen war.

Die leistungsförderndste Kombination wäre der talentierte Sportler Anfang 20 mit der Mentalität eines Sportlers aus den Seniorenklassen. Es gibt – von einer breiten Öffentlichkeit unbemerkt – jede Menge Weltcup-Wettbewerbe für Leichtathleten und Skifahrer etwa, die mit 25 fernab der Qualifikation für einen Nationalmannschaftskader waren und in einem Bürojob eine Bürofigur annahmen, sich aber mit 55 zu den weltbesten Dreispringern oder Riesenslalom-Spezialisten zählen dürfen.

Ein Profi, der davon leben könnte, ist bei den „Masters“, wie sie sich nennen, keiner – aber sie leben wie Profis. Sie kämen nicht auf die Idee, über Dächer zu flüchten, weil das nicht in den Trainingsplan passen würde. Sie kämpfen um jede Zehntelsekunde und jeden Zentimeter – die sie nicht nachlassen in ihren Leistungen. Denn von Altersklasse zu Altersklasse wird das Leistungsvermögen geringer, so sieht es die Natur nun einmal vor.

Für den noch aktiven Fußballer, den bewunderten Star in der Blüte seiner Jahre, der jeden Samstag in eine Kamera hinein versichert, „dass wir unheimlich hart arbeiten“, gilt: bloß nicht erwischen lassen beim Leben nach der harten Arbeit. Und die kleinen Schurkereien, die man begangen hat, im Kopf abspeichern – bis irgendwann, weit nach der großen Karriere, das Fußballkulturmagazin 11Freunde anruft und ein Interview für die Kategorie „Der Fußball, mein Leben und ich“ erbittet. Dann kann man alles rauslassen. Längst verjährt und freigegeben zur Verklärung.

Wir können uns schon darauf einstellen: In 20 Jahren, wenn keiner der heutigen Stars mehr am Ball und das Corona-Jahr eine hoffentlich längst verblassende Erinnerung sein wird, bekommen wir dann zu hören, wie sich damals, 2020/21, doch nicht alle so an ihre Quarantänen gehalten haben, auf geheimen Partys oder beim Friseur ihres Vertrauens gewesen sind. Wahrscheinlich gibt es sogar noch Spektakuläreres als eine Verfolgungsjagd über die Dächer von Essen-Heisingen.

Wir erinnern uns dann lächelnd: 1974 zum Beispiel gab es Spieler, die aus dem berüchtigten WM-Trainingslager in Malente ausgebüxt sind. Fußballer sind ja immer zwischen 20 und 30.

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