Bob Dylan von A bis Z: Modernes Mysterienspiel eines Gesamtkunstwerkers

Lexikon Der 75-jährige Universalkünstler bekommt den Literaturnobelpreis verliehen. Unser Wochenlexikon vom Dylanologen Rüdiger Dannemann
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 20/2016
Er verspürte „die Gegenwart der Literatur mit einer Macht, vor der auch der verstockteste Ignorant kapitulieren musste“
Er verspürte „die Gegenwart der Literatur mit einer Macht, vor der auch der verstockteste Ignorant kapitulieren musste“

Foto: Kevin Winter/AFP/Getty Images

A

Alias (Don’t look back) Bob Dylan (im Folgenden „D.“ genannt) ist nicht zu fassen, ist immer ein Anderer. Sein Motto: I’m not there. Zuerst eine Art Hobo, wurde er die Stimme der 68er, deren Schwächen antizipierend (My Back Pages, 1964), dann zum surrealen Rock-Dandy, von alten Fans als Betrüger attackiert. Er erlebte Woodstock nicht auf der Bühne, sondern in einem Landhaus als family man, wurde Christ, litt unter Schreibblockaden (What Good Am I?, 1989), um seit 1997 ein Spätwerk von Rang zu kreieren (➝ TOoM).

1990 versuchte ich in einem Sammelband, den Avantgardismus von D.s Revolutionierung von Folk und Rock zu fassen. Inzwischen betätigt er sich eher als Archäologe der amerikanischen Musik, etwa in Theme Time Radio Hour (2006