Auch „böse“ Banken sind zu etwas gut: Sie lassen die anderen in einem besseren Licht dastehen. In der TV-Serie Bad Banks dagegen sind alle Banken böse, und alle Banker werden Gangster.
Dass es im wirklichen Leben auch gute Banker gibt, kann man sich denken. Aber weil sie sich dabei sehr öden Beschäftigungen widmen, taugen sie nicht fürs Serien. Als der britische Anthropologe David Graeber 2013 Bullshit Jobs schrieb, meldeten sich Scharen von Betroffenen, darunter viele aus dem Finanzsektor. Die Banalität der überbezahlten Buchhalter aber kommt in Bad Banks kaum vor, obwohl sie großartigen Stoff für Slapstick böten, irgendwo zwischen Karl Valentin und Toni Erdmann.
Augen und Nase zu
Bad Banks will ganz ernsthaft in der Liga der wirklichen Bösewichte mitspielen. Das gelingt gar nicht mal so schlecht. Finanzzusammenhänge werden sparsam, aber knapp erklärt, besser als manche langatmigen Vorträge in Vorbildern wie The Big Short. Emotionale Dichte und Intensität kommen streckenweise an das offensichtliche Vorbild The Wolf of Wall Street heran. Man kann sich das Ganze also durchaus mit Vergnügen anschauen, Einblicke in kulinarische Vorlieben und automobile Verkehrsgepflogenheiten höherer Bankangestellter gibt es obendrein dazu.
Die erste Staffel (der Freitag 39/2018) hatte es streckenweise geschafft, Spannung aus Finanzprodukten zu ziehen, etwa wenn sie zeigt, wie eine Großbank wertlosen Finanzballast los wird. Dabei war die Geschichte, wie die Banken ihre toxische Papiere, Kontrakte und Derivate entsorgten, in Wirklichkeit weit einfacher gelaufen, ohne viel kriminelle Energie: Die Zentralbank öffnete die Garagen. Der Giftmüll wurde angeliefert. Dann drückte sie Augen und Nase zu, erstattete für das wertlose Zeug den Einkaufspreis. Das wirklich Kriminelle: Dass uns das Ganze nicht als Banken-, sondern als Staatskrise verkauft wurde. Stattdessen den Mythos vom „bösen Bankster“ zu pflegen, heißt, die Kamera durchgehend auf den roten Hering zu halten. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass Banken gelegentlich krumme Geschäfte machen.
Was bei der Serie Bad Banks vollkommen übersehen wird, sind die eigentlichen Profiteure. Die Banker jonglieren nicht einfach so mit Geld und Krediten. Der Zaster und die Forderungen gehören am Ende doch irgendwem. Hier ist die Serie leider realitätsnah – denn von den „High-Net-Worth Individuals“ bekommen normalsterbliche Fernsehschauer ebenso wenig mit wie im wirklichen Leben. Um so ausgiebiger dürfen die Diener des großen Geldes ihr abenteuerliches Leben vorführen. Die einzige Figur, die nie auch nur ein Stückchen Heldentum abbekommt, ist der Herr von der Bankenaufsicht. Ein verhärmter, alleinstehender, schlecht angezogener Typ, der nie den großen Reibach machen durfte. In dem vergeblichen Versuch, aus dem Klischee auszubrechen, wird er am Ende auch noch als Perverser vorgeführt. Was gibt es auch Öderes, als sich um Regeln zu kümmern, wenn das große Leben ruft!
Berlin? Finanzprovinz!
Die zweite Staffel versucht, die Aussetzer des moralischen Kompasses zu kompensieren. Leider. Denn nun reiten die Banker in der deutschen Hauptstadt ein. Filmemacher mögen die Stadt für cool halten, aber in der Finanzwelt ist und bleibt Berlin Provinz, zum Glück. Kein Wunder also, dass der Plot damit provinziell wird und zu einer reinen Kriminalgeschichte abflacht.
Der Versuch, aus einem Start-up für „nachhaltige Finanzprodukte“ kriminelle Energie zu ziehen, scheitert absehbar. Da gibt es so wenig an brauchbarer Bösartigkeit zu holen, dass man am Ende dem Chef der Firma eine Psychose andichten musste, um das Hipstertum etwas aufzupeppen.
Wenn schon Fintech-Start-ups, warum dann nicht im frischen Wind der Blockchain-Szene segeln? Hier hätte das wirkliche Leben eine unerschöpfliche Auswahl aus Krypto-Theologen und Transhumanisten bis zu Ultralibertären angeboten. Als die Blockchain-Blase vor einigen Jahren die ersten Löcher bekam, schauten die Flüchtlinge in ihrer Verzweiflung sogar in Provinznester wie Berlin. Vermutlich in der Hoffnung, dass die Leute hier wieder so naiv sein könnten wie zu Zeiten der Finanzkrise, als sich deutsche Banken allerhand Müll aufschwatzen ließen.
Im Übrigen empfiehlt sich als Gegengift zur Verherrlichung der Bankerhelden ein Blick auf die ganz biedere Seite des Geschäfts – aktuell in einer Reportage im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die jämmerliche Wirklichkeit der deutschen Finanzmafia zeigt das ARD-Magazin Panorama vom 13. Februar vortrefflich; um kleine Summen geht es beim erörterten Cum-Ex-Betrug nicht: Immerhin ließ sich der deutschen Staat über sechs Jahre mit erstaunlicher Bereitwilligkeit – um nicht zu sagen tätiger Mithilfe – um gut 10 Milliarden Euro erleichtern.
Panorama erzählt den Fall anhand der Hamburger Warburg-Bank, die mit besten Beziehungen zu SPD-Politikern vor Ort ihre Cum-Ex-Geschäfte durchgezogen haben soll. Nicht nur erstattete die Finanzbehörde einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach zurück – sie verpasste trotz Hinweisen die Deadline, um das Geld zurückzufordern. Die Redakteure hielten allen genervten Beteiligten ohne Hemmungen die Kamera ins Gesicht. Chapeau! Gut gemacht! In den paar Sekunden, in denen die Beschuldigten und ihre Strippenzieher versuchen, die lästigen Interviewer loszuwerden oder sie auf einem Spaziergang anblaffen, erfährt man mehr über die Bankster und ihre Mentalität als in Dutzend Stunden Fernsehserie. Wir haben es da nicht mit Helden zu tun, sondern mit ganz erbärmlichen spießigen Hanswursten, die zu Lasten der restlichen Gesellschaft mit wirklich großen Summen spielen durften.
Kommentare 1
Passiert nicht so oft, aber hier ist es passiert: Die Kritik wird nicht nur der Serie nicht gerecht. Darüber hinaus verbreitet der Rezensent massenweise geschönten Unsinn über das Metier, dass zu kennen er vorgibt.
Zunächst zur Realismuskritik: Sicher ist es richtig, dass Leben und Business des normalen Volksbank-Filialleiters weniger spektakulär verlaufen als das Leben der Protagonisten in »Bad Banks«. Andererseits beherbergt auch dieser Geldgeschäftssektor jede Menge fragwürdiger, korruptöser und auch krimineller Praktiken – von der Aufkündigung von Geschäftskonten zu unpassenden Zeitpunkten über das Sich-Zieren, Omas und ALG-II-Bezieher(innen) das gesetzlich vorgeschriebene Girokonto zur Verfügung zu stellen bis hin zur **sehr** engen personellen Verflechtung mit der örtlichen Politik. Und über die Anschubfinanzierung für Immobilienhaie, die mit der Kohle – politisch gewollt – ganze Stadtviertel gentrifizieren, haben wir noch gar nicht gesprochen.
Es stimmt: Die kleine, eher als strukturell anzusehende Geldkriminalität ist in »Bad Banks« nicht Thema. Allerdings ist dieser Vorwurf ähnlich irrsinnig wie der Vorwurf an einen deutschen »Tatort«, nicht in den USA zu spielen. Kommen wir zur Serienkritik: Sicher ist es erlaubt, die Milieuzeichnung in »Bad Banks« übertrieben, zu düster oder sonstwas zu finden. Ich persönlich fand vor allem die Rücksichtslosigkeit, welche die Beteiligten beim Schmieden ihrer Karriere an den Tag legen, sehr ausdrucksstark und darüber hinaus auch den Kern des Schlamassels treffend, den wir gemeinhin mit Vokabeln wie »Bankenkrise« oder »Finanzwirtschaft« unschreiben – ein komplett kriminelles Geschäft, das Tag für Tag, auf die eine oder andere Weise, Zehntausende in den Tod treibt.
Irgendjemand hat mal gesagt: Leute mit Macht und Einfluss sind durch die Bank Psychopathen. Wenn dieser Satz stimmt, hat »Bad Banks« ihn für sein Milieu treffend auf den Punkt gebracht. Auch wenn man als Laie die gezeigten Geldoperationen nur ungenügend nachvollziehen kann, sind die Leute, die da zugange sind, doch recht realistisch gezeichnet. Elchtest Realität: a) die Straßen, Cocktailbars und Hotel-Lounges im Schatten der Frankfurter Skyline, b) die abgelegenen, wenn auch nach meinem Geschmack komplett geschmacklos gebauten Villa-Refugien im Taunus unterm Feldberg-Gipfel.
Darüber hinaus scheint mir die Serie auch inhaltlich überdurchschnittlich ausrecherchiert zu sein. Nicht nur in Punkt auf die Charakterologie, sondern auch in Bezug auf die Feinzeichnung der unterschiedlichen Sektoren, die sich da gegenseitig auszumanövrieren versuchen: die Old-School-Investmentbankster, der agressive Finanzjongleur, die Öko-Startupler, die einen auf Nachhaltigkeit machen und schließlich die ausgebuffte Karrieristin in der Rolle der Hauptfigur, die ihr Gewissen schon lange irgendwo das Klo runtergespült oder sich in pulverisierter Form durchs Gehirn gezogen hat.
And so on. In meinen Augen haben arte und ZDF en passant die beste deutsche Serie hingelegt, die seit Jahren lief – besser als »4 Blocks« mit seinen trotz einiger Stärken doch vorhersehbaren Genre-Abläufen und besser als die in meinen Augen stark hochgehypte ARD/sky-Produktion »Babylon Berlin«.
Fazit so: »Bad Banks« hätte auch bei Mißfallen eine bessere Kritik verdient gehabt.