Böser than Life

Nachruf Die Bond-Filme wären nicht, was sie sind, ohne die Kathedralen der Superschurken von Ken Adams
Ausgabe 11/2016
Ken Adams Raketenabschussvulkan aus „Man lebt nur zweimal“
Ken Adams Raketenabschussvulkan aus „Man lebt nur zweimal“

Foto: Larry Ellis/Express/Getty Images

Eine berühmte Ken-Adam-Anekdote, von ihm selbst gern erzählt, dreht sich nicht um ihn, sondern um Ronald Reagan. Bei seiner ersten Tour durchs Weiße Haus habe der neue Präsident das „War Room“ gesucht, wie er es aus Stanley Kubricks Nuklearsatire Dr. Seltsam zu kennen glaubte. Es gab und gibt diesen Raum in der Wirklichkeit nicht. Er war ein Filmset, der Fantasie des Production Designers Ken Adam entsprungen. Dass ausgerechnet Reagan es für real hielt, war natürlich kein Zufall. Nicht nur weil er selbst ein (ziemlich mittelmäßiger) Schauspieler war, sondern weil der Kalte Krieg und seine phantasmatischen Doppel in Film und Literatur früh miteinander zu verschmelzen begannen. Nicht zuletzt war ja Reagans Wahlerfolg selbst das Produkt einer Vermischung von bitterem politischem Ernst und kalifornischer Hollywood-Ideologie.

Und keiner verkörperte die Kalter-Kriegs-Phantasmen wie Bond. Die Filme wären nicht, was sie sind, hätte nicht Ken Adam in sie hinein dem Zeitgeist die passenden Kathedralen gebaut. Vorläufig unsterblich wurde Bond, weil in den Filmen und vor allem den Sets zusammenschoss, was in der Realität so nicht gedacht werden konnte: der Feind als überlebensgroßes Faszinosum.

Gewiss, zum Entstehen des Bond-Mythos gehören die Gadgets, die Coolness, die Bond Girls und der Martini, geschüttelt, bloß nicht gerührt. Wichtiger aber als all das: die Schurken, die Angstlust der Apokalypse, der Endkampf – verkörpert in Goldfinger, Dr. No, Stromberg oder Blofeld. Klar, dass abseits von Bond auch Dr. Seltsam in diese Reihe gehört. Diesen Verkörperungen des Bösen hat Ken Adam die Räume gebaut.

Es gibt darin fast immer den Zug der Gigantomanie. Der Raketenabschussvulkan in Man lebt nur zweimal und das unterirdische Supertanker-Arsenal in Der Spion, der mich liebte waren damals die teuersten und größten Filmsets aller Zeiten. Man darf angesichts des Kuppeldoms im Vulkan durchaus an Albert Speer und faschistische Größenwahnarchitektur denken. Nur steckt immer noch eine Menge anderes in Adams Entwürfen. Zum Beispiel die Verschränkung von Bunkerbau, technischer Fantasie und Bauhaus-Moderne. Gern hat Adam auch erzählt, sein erster architektonischer Entwurf sei für einen Luftschutzbunker gewesen – der freilich in der Realität nicht funktionierte.

Die Bunker, die er für die Filme entwarf, haben dann aber perfekt funktioniert, nämlich als Imaginationsreservoir für Millionen. Und zwar weil Adam hier die scharfen Kanten und wuchtigen Quader mit der slickness futuristischer Bildschirmtechnologien, das Steinerne und Irdene mit Chrom und Raketen, das in den Boden Gerammte mit hochfliegenden Zukunftsvisionen zu verbinden verstand. Das alles freilich mit mehr als einer Spur tongue-in-cheek-Ironie. Da war der 1934 mit seinen jüdischen Eltern aus Deutschland nach London emigrierte Ken Adam der archetypische Brite.

Ken Adam, der vergangene Woche im Alter von 95 Jahren verstorben ist, wurde noch zu Lebzeiten zur Legende. Seine Kalter-Kriegs-Moderne hat Architekten wie Norman Foster oder Richard Rogers inspiriert. Noch im von Foster zum demokratischen Parlament umgebauten Reichstag steckt nicht wenig Ken Adam. Das macht den Bundestag nicht zum Bunker der Macht und Norbert Lammert nicht zu Dr. No. Eher verweist es darauf, dass auch die demokratischsten Architekturen ein Imaginäres besitzen, in dem die Phantasmen vergangener Zeiten ihr Unwesen treiben.

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Geschrieben von

Ekkehard Knörer

Redakteur Merkur und Cargo.

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