Sonntagnachmittag im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums. Wir schieben uns durch die Ausstellung "Die Sprache Deutsch", die auf wenig Raum die deutsche Sprache von den Ursprüngen bis zur Gegenwart erlebbar macht. Viele sind gekommen, vom Schulkind bis zum Rentnerpärchen wird geschmunzelt, leise gelacht und mitgeschrieben. Es scheint, die Deutschen lieben ihre Sprache.
Lange war die Sprache das einzige Bindemittel zwischen den deutschen Kleinstaaten. Frankreich oder Spanien, das waren echte Staaten mit politischer, mit nationaler Identität. "Deutschland", so heißt es in dem 20-minütigen Ausstellungsfilm, "ist ein Land, das nach seiner Sprache benannt ist."
Spurenelemente der deutschen Denkungsart findet man über den ganzen Globus verteilt. Eine Weltkarte zeigt deutsche Wörter, die in andere Sprachen übernommen wurden, teils mit, teils ohne Bedeutungsverschiebung: Quark, Malzbier und Zeitgeist in Portugal, Baggersee in Frankreich, Achtung! in Großbritannien, Doppelganger in Australien, Wohltäter und Gift in Schweden. Besuk bedeutet in Thailand "sich weigern, jemanden zu besuchen". Solche Wanderworte sind absichtslose Botschafter der deutschen Seele. Von außen halten sie uns den Spiegel vor, und wir kratzen uns am Kinn: So sind wir also, wir Deutschen!
Tiger, die Kralle von Kreuzberg, aka Cemal Atakan, erklärt via Bildschirm die Feinheiten des Kiezdeutsch. Zum Beispiel die Namensbildung: "Konkret-gute-Preis-Achmed", kurz KGPA, heißt so, weil er garantiert für alles einen guten Preis macht. Sein Familienname spielt keine Rolle - sicher ist sicher.
Die Liebe zum sprechenden Pseudonym teilte auch die "Fruchtbringende Gesellschaft", eine 1617 in Weimar gegründete Sprachgesellschaft. Ihre Mitglieder, vornehmlich dem Adel zugehörig, gaben sich Beinamen wie der Behülfliche, der Anlockende oder der Kitzliche. Indem man sich nach dem jeweils hervorstechenden Wesenszug benannte und auch so anredete, demonstrierte man den Vorrang des Seelischen gegenüber dem Ständischen. Der Name als Spiegel des Wesentlichen. Die Mitglieder der "Fruchtbringenden Gesellschaft" waren überzeugt, dass sich eine klare, verständliche und insofern "reine" Sprache positiv auf den Zustand einer Gesellschaft auswirkt.
Jubel vom Tonband
Wie Formeln à la "Geiz ist geil" auf eine Gesellschaft wirken, zeigt die Vitrine über die Sprache der Werbung. Dass Sprache missbraucht werden und, auf unkritische Ohren treffend, Dämonen entfesseln kann, wird anhand von Goebbels´ Aufruf zum "totalen Krieg" im Jahr 1943 vorgeführt. Die Aufnahme der Massenkundgebung wurde so zusammengeschnitten, dass beim Hörer, der nichts von den Möglichkeiten der noch jungen Radiotechnik ahnte, der Eindruck spontan jubelnder Massen entstand.
Neben der Magie der Stimme, die in vielen Tondokumenten - kunstvollen wie alltagssprachlichen - zum Tragen kommt, setzt die Ausstellung vor allem auf die Aura der Dinge: wertvolle Folianten wie die berühmte Abrogans-Handschrift aus dem 8. Jahrhundert oder eine aus dem 10. Jahrhundert stammende Abschrift des Frankfurter Kapitulars von 794, das unter anderem festlegte, dass ab sofort jeder in seiner eigenen Sprache zu Gott beten dürfe, ein Schreibkasten, den der betagte Goethe Ulrike von Levetzow schenkte, das Bühnenmodell zu Brechts "Mutter Courage" oder Original-Manuskripte von Franz Kafka, Alfred Döblin, Thomas Mann, Lessing, Kleist... Uraltes mischt sich mit Nagelneuem, Ernstes mit Lustigem, Sakrales mit Profanem.
Noch bis 3. Mai 2009 im Deutschen Historischen Museum, Hinter dem Gießhaus 3, Berlin. Täglich 10-18 Uhr. Eintritt: 5 Euro. Katalog: 25 Euro. www.dhm.de
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