Braune Querschläger

Punktgenaue Störung So hat sich das offizielle Österreich sein Jubeljahr nicht vorgestellt

So berühmt wie ausgerechnet zum 60. Jahrestag der Republik war der Bundesrat noch nie. Normalerweise fällt die zweite Kammer des österreichischen Parlaments, die eher einer Abstellkammer für drittklassige Politiker gleicht, kaum auf. Zuletzt aber wirkte diese biedere Mischung aus Entsorgungs- und Versorgungsstätte wie ein Tummelplatz für Geschichtsrevisionisten.

Der ehemalige Offizier John Gudenus etwa ist ein notorischer Fall. "Gaskammern? Ich halte mich da raus! Ich glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist", sagte er als FPÖ-Nationalratsabgeordneter 1995. Natürlich musste er zurücktreten. So etwas sagt man nicht, zumindest nicht im Nationalrat. Zur "Strafe" schickte ihn die Haider-Partei daher in den Bundesrat. Zehn Jahre später machte er einmal mehr aus seinem Herzen keine Mördergrube. Als man ihm abermals die Frage stellte, ob es Gaskammern im Dritten Reich gegeben habe, antwortete der Bundesrat, dass man das "physikalisch und wissenschaftlich prüfen" soll. Da dürfe es keine Tabus geben. Das war nun selbst seiner Partei, der Rest-FPÖ, zu viel. Dem Ausschluss kam er nur durch den Austritt zuvor. Wohlgemerkt, aus der Partei, aus dem Bundesrat ausscheiden will er partout nicht.

Einige Tage vor Gudenus war ein anderer freiheitlicher Bundesrat aufgefallen, als er sich über die brutale Verfolgung der Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg beklagte. Und dies auch nicht zurücknehmen wollte, sondern mehrfach wiederholte. Den Sitz in der Länderkammer, wo Siegfried Kampl (inzwischen BZÖ-Mandatar) per 1. Juli sogar turnusmäßig Präsident geworden wäre, musste er nach langem Zureden seiner Freunde vom "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ) aber dann doch räumen. Natürlich wird er sich nun ärgern, der Ex-Bundesrat. Nicht dass er es gedacht, sondern dass er es gesagt hat. Aber so denkt er, so fühlt er und an vielen Stammtischen, nicht nur in der Kärntner Bischofsstadt Gurk, wo er Bürgermeister ist und bleibt, werden sie ihn unterstützen.

Den Spitzen des Staates wird mit alledem die gute Laune verdorben. So mussten Bundespräsident Fischer und Kanzler Schüssel ihre Reden zum Festakt des 60. Jahrestages der Republikgründung am 27. April mehr oder weniger Kampl und Gudenus widmen. Die Feier erhielt auf einmal einen anderen Schwerpunkt. Man distanzierte sich und war peinlich berührt. Fast könnte man ja meinen, es sei eine punktgenaue Störung, ein gut platzierter brauner Querschläger gewesen. Dagegen spricht allerdings, dass das Nazistische aus diesen Personen immer wieder hervorbricht, sie dessen nicht mächtig sind, sondern es sie beherrscht.

Vor allem auch, weil der Staatsmythos im Umbau begriffen ist, die rot-weiß-rote Fassade renoviert und neu bestrichen wird, halten es diese Leute nicht aus. Das offizielle Österreich macht nämlich auf dosierten Antifaschismus und die breite Masse verhält sich indifferent. Selbst Jörg Haider hat die Parole ausgegeben, dass Geschichte nichts für Politiker sei, man daher besser schweigen solle. Die rechten Recken verfolgen ihn deswegen schon als Verräter. Der BZÖ-Chef wiederum meint, dass seine Ehemaligen absolut nicht kapieren, dass man das Braune nur noch als Versatzstück mitführen darf, nicht aber als Block präsentieren kann.

Freilich könnte die üble Sache auch ein gutes Ergebnis zeitigen, und zwar, dass gerade in dem Land, in dem der Rechtspopulismus seine größten Erfolge feierte, er nun eine herbe Niederlage einfährt. Die strahlenden Wahlsieger von 1999 (28 Prozent) sind schwer angeschlagen. Die alte FPÖ ist inzwischen bereits in mindestens drei Teile zerfallen, in das Haider-BZÖ, in die Strache-FPÖ und in solche, die weder dem einen noch der anderen angehören wollen, etwa die FP-Landesorganisationen in Oberösterreich oder Vorarlberg. Da läuft ein Selbstzerstörungsprogramm. Und die politischen Kontrahenten sind begierig darauf, die herrenlosen Wähler einzusammeln und Blau wie Orange deutlich zu dezimieren. Das wird gelingen, zweifellos. Nur Kanzler Schüssel zögert, da mit dem Ausfall seiner bevorzugten Bündnispartner doch auch seine Optionen schwinden.

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