Brexit-Wahlen

Großbritannien Theresa May hat Neuwahlen verkündet. Das könnte eine Chance für die Opposition sein, doch sie kann keine wirkliche Alternative bieten
Ausgabe 16/2017
Könnte gestärkt aus Neuwahlen hervorgehen: Theresa May
Könnte gestärkt aus Neuwahlen hervorgehen: Theresa May

Foto: Daniel Sorabji/AFP/Getty Images

Seit Theresa Mays Antritt als Regierungschefin vergangenen Sommer wurde über vorgezogene Neuwahlen (snap elections) spekuliert. May blieb lange standhaft. Neuwahlen anzusetzen hätte bedeutet, ihren Gegnern Recht zu geben, die ihr vorwarfen, von niemandem gewählt zu sein und kein Mandat zu haben für den harten Brexit-Kurs. Nun hat sie sich davon befreit, noch im Juni soll Großbritannien wählen, in einer Zeit also, da die ernsthaften Verhandlungen über den Brexit noch gar nicht begonnen haben. May hofft, danach mit einer überwältigenden Tory-Mehrheit im Rücken am Brüsseler Verhandlungstisch Platz nehmen zu können.

Die Opposition, Labour und die Liberaldemokraten, erwischt sie damit in einem überaus schwachen Moment. Die Sozialdemokraten werden massiv verlieren, Parteichef Corbyn hat keine Chance, sich als ernsthafte Regierungsalternative gegen May zu präsentieren. Denn in Sachen Brexit – und das ist nun einmal das alles überlagernde Thema der britischen Politik – ist Labour tief gespalten. Corbyn und seine Umgebung haben so wenig ein Konzept oder gar einen Plan wie die Tories. Die Liberaldemokraten haben eine klare Linie, aber sie sind gerade erst dabei, den 2015 verlorenen Rückhalt bei den britischen Wählern wieder aufzubauen. Nur die schottische Nationalpartei SNP dürfte gewinnen, sie könnte bei Neuwahlen die letzten Tory- und Labour-Sitze in Schottland erobern.

Theresa May hofft auf einen großen Wahlsieg, und die Umfragen bestätigen sie in dieser Erwartung. Wenn sie erheblich gestärkt aus diesem Votum hervorgeht, kann sie viele Fliegen mit einer Klappe schlagen. Im Moment hat sie nur eine eher knappe Mehrheit im Unterhaus, nach den Wahlen könnte die komfortabel und May vom Störfeuer aufmüpfiger Hinterbänkler in den eigenen Reihen erlöst sein. Die Premierministerin wäre auch den Zeitdruck los. Sie müsste die Brexit-Verhandlungen nicht mehr wegen eines regulär 2020 anstehenden Wahltermins so rasch wie möglich zu Ende bringen. Es wäre möglich, sich auf eine Übergangslösung einzulassen, die inzwischen viele einem Crash-Ausstieg ohne befriedigendes Verhandlungsergebnis vorziehen. May kann sich auf Kompromisse einlassen, sie kann den „harten“ Brexit, den die Tory-Rechte gern hätte, Stück für Stück aufweichen. Sie gewinnt zweifellos ein Stück Flexibilität zurück. Offenbar hat die Regierungschefin in den Auseinandersetzungen um die Austrittserklärung im März gelernt: Sie und ihre Entourage beginnen zu begreifen, wie schwierig, wie komplex, wie gefährlich die kommenden Konflikte mit der Europäischen Union für Großbritannien werden können. Offiziell hat man den Illusionen der Brexiteers noch nicht abgeschworen. Aber nach einem überwältigenden Wahlsieg könnte man es sich eher leisten, das eigene Geschwätz von früher zu vergessen.

Allerdings kann die Sache auch schiefgehen. Das hat Nicola Sturgeon, die schottische Premierministerin, ihrer Erzgegnerin May schon unter die Nase gerieben. Es kann sein, dass die Bedenken gegen den harten Brexit-Kurs der Tories eine wachsende Zahl von Wählern zu den Oppositionsparteien treibt. Die 48 Prozent der Brexit-Gegner, die vielen, vor allem Jüngeren, die im Juni vergangenen Jahres nicht abgestimmt haben, dürften Neuwahlen als ihre Chance sehen, den Gang der Ereignisse doch noch zu beeinflussen. Gewinnen die Tories, könnte zugleich das Lager der halbwegs zurechnungsfähigen Brexiteers gestärkt werden.

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