Brückenschlag

Schülerfirmen Berliner Jugendliche betreiben Edelsteinhandel, um Straßenkindern in Afrika zu helfen

"Das ist eine unternehmerische Entscheidung, die müsst ihr treffen!" Der Sozialkundelehrer Michael Benner hält sich zurück. Engagiert, aber konzentriert diskutieren die neun Schülerinnen und Schüler der Waldorfschule im Märkischen Viertel Berlin. Es geht um Messestände, um die Pflege der Kundenkontakte, darum, wer sich um den Einkauf kümmert. Nur manchmal muss die Redeleitung jemanden zur Ordnung rufen, denn alle hier wollen, dass das laufende Jahr ein betriebswirtschaftlicher Erfolg wird. Dann ist die Sitzung von "Steinbrücke" zu Ende und die Schüler der 10. und 11. Klasse haben es eilig, an diesem Freitagnachmittag nach Hause zu kommen.

Es ist keine der üblichen Schüler- oder Juniorenfirmen, die sich hier trifft. Das Geschäftskonzept der GBR "Steinbrücke": die Schüler kaufen Edelsteine, Mineralien und Schmuck bei Großhändlern und verkaufen sie auf Messen und Schulfesten weiter. "Unser Ziel ist es, möglichst viel Gewinn zu machen", heißt es in ihrer Selbstdarstellung. Seit 1996 betreiben sie ihr lukratives Geschäft, sie selbst arbeiten ehrenamtlich. Ihren Profit spenden sie vollständig an soziale Projekte in der Dritten Welt. Regelmäßig unterstützen sie zum Beispiel den Verein "Zaza Faly", der sich um Straßenkinder in Madagaskar kümmert. Die Firma ist beim Gewerbeamt, beim Finanzamt und der Industrie- und Handelskammer angemeldet. Der Gewinn ist, besonders weil keine Personalkosten anfallen, beachtlich: 2005 betrug er fast 7.000 Euro, meist liegt er bei etwa 5.000. Das klingt nicht viel, für soziale Projekte in Drittweltländern aber kann die Spende über Sein oder Nichtsein entscheiden.

Erfahrungen zu sammeln, die ihnen später im Berufsleben nutzen könnten, steht für die schulischen Mitarbeiter weit im Hintergrund. Trotzdem gehen ihnen Ausdrücke wie "mittelfristige Finanzplanung" erstaunlich leicht über die Lippen. Der pädagogische Effekt dieses klassenübergreifenden Projekts ist nicht zu unterschätzen. Wöchentlich treffen sich die Mitarbeiter, die Aufgaben rotieren. Die Schülerin Rafaela Dorfner, seit über zwei Jahren dabei: "Das Vorbereiten von einer Sitzung, mit Händlern telefonieren und verhandeln, da lernt man etwas."

Zu wissen, was mit ihrem Geld passiert, ist den Schülern wichtig. Deshalb spenden sie lieber nicht an große Wohltätigkeitsverbände, sagt Anna Fechner. Letztes Jahr bat ein Projekt aus Ghana "Steinbrücke" um finanzielle Unterstützung. "Die haben uns richtig Rechnungen geschickt", erzählt der Elftklässler Benjamin Oberhof. "Wir brauchen eine Wasserpumpe, wir brauchen ein neues Dach, da waren wir richtig in die Entscheidungen vor Ort einbezogen." Stehen wohltätiges Interesse und betriebswirtschaftliche Kalkulation nicht doch in Widerspruch? "Wir können nicht immer, wie wir wollen", sagt Anna. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis der "Steinbrücke"-Aktivisten.

Anfang des Jahres wurde das Projekt unter der Fragestellung von solidarischer Ökonomie an die TU Berlin eingeladen. Ein Lieblingsthema der globalisierungskritischen Bewegung, aber schwer zu definieren. Meist verstehen sich die Projekte als Alternative zur kapitalistischen Wertschöpfung. "Ein Bezug auf Solidarität" soll, laut Wikipedia-Definition, den Unterschied ausmachen. Bei der GBR "Steinbrücke" jedenfalls sieht diese aus wie klassische karitative Arbeit.


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