Brüder, zur Freiheit

George Bush und die Irak-Wahlen Daumen halten und ablenken

Der Präsident hat bei seiner Amtsantrittsrede die Wahlen im Irak nicht erwähnt. Dafür aber den Begriff "Freiheit" rund 1,5 Mal pro Minute verwendet. Ursprünglich sollten die irakischen Wahlen der Schokoladenguss sein auf der Torte der amerikanischen Kriegsplaner. Jetzt illustrieren die Autobomben, die rücksichtlosen Anschläge auf Wahlbüros und Kandidaten in Bagdad und Umgebung eher das Versagen der Irak-Politik. Washington redet die erwarteten Resultate des Votums entsprechend klein und betont, dass allein das Stattfinden als Erfolg gewertet werden müsse. Und hält die Daumen, dass der Wahltag ohne größere Katastrophen verläuft.

Und noch ein Wort hat gefehlt in der Ansprache am 20. Januar: "Terrorismus" oder "Krieg gegen Terrorismus", obwohl wegen eben dieses Terrorismus die Sicherheitsvorkehrungen in Washington so scharf waren, dass selbst zahlreiche Republikaner mit Eintrittskarten nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht zu den Feierlichkeiten durchkamen. Anscheinend soll Bushs Rede einen vorwärts blickenden Neuanfang über den Terrorismus-Krieg hinaus signalisieren, auch wenn Vater Bush und andere Republikaner schnell beschwichtigten, der Präsident habe nur geltende Politik bekräftigt.

Anhänger des Präsidenten lobten die "historische" Rede. Bush habe sich, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, zu uramerikanischen Idealen bekannt. Die Opposition in den USA tut sich nun schwerer. Niemand will gegen Freiheit sein. So neu sind diese Demokratieversprechen allerdings nicht. Präsident Harry Truman rechtfertigte den Kalten Krieg mit dem Streben nach Freiheit und Demokratie. Ronald Reagan kündigte 1982 eine weltweite "Kampagne für Freiheit" an. Diese bedeutete vieles - von der Unterstützung der Solidarnosc in Polen bis hin zur Waffenhilfe für die Contras in Nikaragua und die Finanzierung der Taliban, als die zum Sturz des prosowjetischen Präsidenten Nadschibullah in Afghanistan antraten.

George W. Bush machte ganz den Eindruck, als glaube er an seine eigene Rhetorik. Dasselbe galt für Condoleezza Rice, die Außenministerin in spe, die bei der Anhörung zu ihrer Nominierung keine Zweifel und keine Missgriffe einräumen wollte. Und voll und ganz auch für den Vizepräsidenten Richard Cheney, der in einem Rundfunkinterview am Tag der Amtseinführung den Iran auf der Liste der Problemnationen ganz nach oben stellte. Nur mit diesem Glauben und der inneren Selbstsicherheit lässt sich das Vorgehen der US-Regierung im Nahen Osten, im "Krieg gegen den Terror" beziehungsweise im "Kampf für die Freiheit" erklären. Der Glauben ist ideologisch-religiöser Natur. Bushs Rede war voll von Phrasen und Begriffen aus der Bibel. Das Religiöse hat Tradition in der US-Politik. Im Zeitalter George W. Bushs allerdings mit einem Twist: Andere Präsidenten danken Gott, dass er Amerika gesegnet habe und bitten um weiteren Segen. Bush agiert als Prophet und Engel mit dem Schwert: Er selbst handelt im Auftrag Gottes, die USA brächten der Welt Freiheit im Namen Gottes. Kein Wunder, dass Bush im Wahlkampf keine Fehler gemacht haben will; kein Wunder, dass er nun offenbar eine Politik durchziehen will, die selbst so mache Republikaner nervös macht.

Und kein Wunder, dass Vater Bush keine Zweifel lassen will - absolut nichts habe sich verändert, sagt er. Über das zu sprechen, was tatsächlich geschieht, wäre zu gefährlich.

Der Irak vom 20. März 2003 bis 30. Januar 2005



20. März 2003 - Unter Führung der USA greift die "Koalition der Willigen" den Irak an.

9. April 2003 – Bagdad wird eingenommen.

1. Mai 2003 – Präsident Bush erklärt das Ende der Hauptkampfhandlungen.

19. August 2003 – Bombenanschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad.

13. Dezember 2003 – Saddam Hussein wird gefunden und festgenommen.

28. April 2004 – US-Medien decken Misshandlungen an irakischen Gefangenen auf.

8. Juni 2004 – UN-Resolution 1546 zur irakischen Nachkriegsordnung und zu allgemeinen Wahlen.

28. Juni 2004 – Offizielle Inthronisierung der irakischen Interimsregierung unter Premier Allawi – die militärische Macht bleibt bei den US-Besatzungstruppen.

1. August 2004 – Die Allawi - Regierung verkündet, mit Hilfe der UNO am 30. Januar 2005 im Irak Wahlen abhalten zu wollen.

27. Dezember 2004 – Die größte sunnitische Formation, die Irakisch-Islamische Partei (IIP), erklärt ihren Wahlboykott.


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