Buhs im Internet

Kulturkommentar Im Internet regt sich Protest gegen das Berliner Schloßparktheater, weil es einen weißen Schauspieler schwarz schminkt. Ist das rassistisch?

Ein Theaterskandal am Berliner Schloßparktheater? Wann hat es das zuletzt gegeben? Aber: keine Buhs, kein vorzeitiges Verlassen der Aufführung von Ich bin nicht Rappaport – die Unmutsbekundungen sind ausschließlich im Internet zu finden, wo in wütenden Postings die sofortige Absetzung des Stückes und die Nachschulung der Theaterleitung in Anti-Diskriminierungstrainings gefordert wird. Das Theater antwortet lapidar, dass es mit der Besetzung eines Schwarzen durch einen Weißen „einer langen Theatertradition im deutschsprachigen Raum, die nicht rassistisch ist“, folge.

Blackfacing, das Schminken eines Weißen zur Darstellung eines Schwarzen, hat aber tatsächlich eine rassistische Tradition. In den amerikanischen "Minstrel Shows" machten sich weiße Schauspieler derart maskiert über die „tumben“ Schwarzen lustig.

In Ich bin nicht Rappaport, das Stück stammt aus den achtziger Jahren, gibt es diese Klischees nicht mehr. Es geht um zwei alte Männer – und nicht nur wegen deren Sehschwäche nur am Rande um die Hautfarbe. Als Midge (den der angemalte Joachim Bliese im Schloßparktheater spielt) erzählt, dass man als Schwarzer bestimmte Möglichkeiten im Leben gar nicht erst hat, holt Nat (Dieter Hallvorden) eine Lupe heraus, besieht sich Midges Gesicht und sagt: „Ach ja richtig, Sie sind ja schwarz!“

Aber selbst wenn man die Aussage, dass die Theatertradition in Deutschland in „keinem Zusammenhang mit einer rassistischen Betrachtungsweise steht“ einmal nicht hinterfragt, bleibt als Kern des Dissenses eine Frage: Kann das Schwarzanmalen eines weißen Schauspielers in einem deutschen Theater, das aus guter Absicht handelt, isoliert vom Kontext der Tumbheitsdarstellung, wie sie in den „Minstrel-Shows“ in Amerika geprägt wurde, betrachtet werden? Ist es, wie anderes Schminken, einfach nur ein Theatermittel oder wird durch den Griff eben zur „schwarzen“ Schminke, ob gewollt oder nicht, immer auch eine Verbindung zu der vergangenen rassistischen Praxis hergestellt?

Diese Frage führt zu der Überlegung, warum überhaupt die Figur des Midge, für die das Schloßparktheater nach eigener Auskunft keinen geeigneten afrodeutschen Darsteller gefunden hat, schwarz sein muss. Antwort: Weil es der Autor Herb Gardner testamentarisch so verfügt hat.

Da das Schloßparktheater mit seinem 76-jährigen Intendanten Dieter Hallervorden nach einem Stück über das ­Thema Alter gesucht hatte, das auch Probleme wie Armut und Diskriminierung nicht verschweigt, und es in ­diesem Bereich keine große Auswahl gibt, kam es an Ich bin nicht Rappaport nicht vorbei.

Nun hat sich das Theater vor der Premiere vergeblich beim Verlag darum bemüht, das Stück ins Berlin der Gegenwart holen zu dürfen. Denn die Erzählung ist tatsächlich so universell, dass sie ohne weiteres auch von zwei Rentnern im Tiergarten handeln könnte. Gardners letzte Wille aber ist Verdikt, und deshalb bleibt der Spielort der New Yorker Central Park, Midge schwarz und Nat Jude.

Aufgrund des Urheberrechts gilt Gardners Anordnung noch 64 Jahre. Erst dann könnte das Stück bearbeitet werden. Man kann sich fragen, ob solches Zementieren künstlerischen Schöpfungswillens nicht zwangsläufig ins Museum führt. Vor allem kann man daran aber sehen, wie langlebig manche Geschichte sein kann – ob vertraglich festgeschrieben oder nicht.

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