Burka Blues

Down Under Unseren Mann in Moskau hat es jüngst nach Afghanistan verschlagen

Wer zurückkommt, bleibt. Sollte man zumindest meinen. Für Gerd Ruge, den einstigen Fernsehjournalisten und ehemaligen Moskau-Korrespondenten der ARD hat diese Sprachlogik jedoch ihre Grenzen. In seinem jüngsten Buch Rückkehr nach Kabul, das er zusammen mit dem Fotografen Philipp Meuser gemacht und mit Bildern des 1980 verstorbenen Völkerkundlers Georg Werner Gross aufgepeppt hat, versteht Ruge Rückkehr nur als punktuelles Durchjetten. Und wer seinen kurzen Text neben den gut hundert Fotografien dieses Bildbandes liest, der kann den einst rauhesten Bariton des deutschen Fernsehens verstehen.

Welcher Medienmacher will schon bleiben in einer Stadt, in der Journalisten permanent zwischen Informationsministerium, konservativen Machthabern und islamischen Richtern aufgerieben werden, in der Fernsehen noch bis vor kurzem verboten war und in deren Hotels die aktuellsten Informationen in alten österreichischen Zeitungen des Jahres 1978 zu finden sind? Nein, wenige Jahre nach dem Ende der Talibanherrschaft ist die Moderne noch immer nicht zurückgekehrt in die Hauptstadt des großen Landes am Hindukusch. Wer sich hier länger niederlassen wollte, der bräuchte vor allem eines: Hoffnung.

Erste Anzeichen mag es geben. Auch wenn die Bilder, die Ruge dem Buch beigegeben hat, es nicht vermuten lassen. Es verändert sich was in der afghanischen Metropole, die ihren Besuchern noch immer die tödlichen Blessuren des Krieges entgegenstreckt. Das erkennt auch Gerd Ruge. Zuletzt 1990, kurz nach dem Abzug der Sowjetarmee hier gewesen, kann er zwar die Schäden, die sich seither in Mauern und Menschen eingegraben haben, kaum begreifen, doch mit der Flucht des Taliban-Führers Mullah Omar gibt es auch wieder Erfreuliches für den krisengeschulten Nachrichtenmann zu berichten: In Kabul gehen wieder 500.000 Kinder zur Schule, mehr als die Hälfte davon Mädchen. In der Union der afghanischen Künstlerverbände zeigt sich - noch scheu - erstes kulturelles Leben, und rund um die einstige Sommervilla des Königs blühen Sommerblumen und rote Malven.

Man sollte eben nicht zuviel erwarten nach mehr als 24 Jahren Krieg und Bürgerkrieg. Davor aber bewahren in diesem Buch ohnehin die zahlreichen Fotografien Philipp Meusers, die immer dann, wenn Ruge zu freudigen Tremoli ansetzt, einen abbremsenden Off-Beat schlagen. Gesprengte Häuser, zerschossene Autos, blaue Burkas. Meuser zeigt jenes Kabul, wie es der Westen nach dem 11. September 2001 für sich auf der Landkarte entdeckt hat. Wer hier nie seine Heimat hatte, möchte in diesem Ruinenfeld wahrlich kein Rückkehrer sein. Und so wirkt selbst ein so stämmiger Kerl wie Gerd Ruge in der gespenstig zerschossenen Stadtkulisse eher wie ein Widergänger.

Gerd Ruge: Rückkehr nach Kabul. Eine fotografische Zeitreise. Herausgegeben von Goethe Institut Kabul. Markus-Braun-Verlag, Berlin 2003, 112 S., 29,90 EUR


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