Café Maitre, zum Schluss

Diese Fahrt. So endlos lang. Dabei alles bekannt. Die Straßen, Kreuzungen, Häuser. Der Stand des Lichts um diese Zeit, Nachmittag, Sonntag. Ich fuhr ...

Diese Fahrt. So endlos lang. Dabei alles bekannt. Die Straßen, Kreuzungen, Häuser. Der Stand des Lichts um diese Zeit, Nachmittag, Sonntag. Ich fuhr von dir, aus dieser Kneipe, die längst geschlossen ist. Irgendwelche Studenten hatten sie für ein paar Tage besetzt, nicht wild, brav, abgesprochen, organisiert. Die hantierten in diesem Raum mit seinen Geschichten, behängten seine Wände mit Postern und blinkenden Lichtlein, und wir saßen, tranken Bier aus Flaschen und sahen ihnen zu.

Das Vergangene wurde behängt, die Studenten erwürgten die Geschichten und merkten es nicht einmal. Und wir saßen, rauchten und redeten von damals, als wär´ es dreißig Jahre her, dreißig Jahre Staub auf dem Kneipenpiano. Ich hob seinen Deckel, es krächzte verstimmt. Irgendwer hatte die Türen und den alten Tresen herausgerissen, die Studenten wussten nichts davon und das Klavier brauchten sie nicht, sie hatten Plattenspieler und Lautsprecher auf Ständern. Und als sie beim Kaffee auf der alten grünen Polsterbank saßen und lachten, hatten sie auch diese erwürgt und besetzt. Ich kehrte den Blick gegen die Decke, hoch und dunkel vom Nikotin, blätternde Farbe samt Putz und nickte. Das Haus ließ sich ins Gedärm sehen und sagte: Ich sterbe. Das hier ist meine Leichenfeier. Und vielleicht ist es gut, dass die hier nichts von mir wissen. So störe ich sie nicht.

Wir gingen dann, das Café war schon gegangen. Hier wurde leichengefleddert, mit zuckenden Schultern in unsere Richtung. Die ihr da sitzt mit eurem Bier, ihr seid fremd hier, bei uns. Fremd, denke ich. Fremd waren wir, ja. Vielleicht fremder als sie, in diesem Raum, doppelt. Und jetzt diese Fahrt. So endlos lang. Als führe ich sehr langsam aus einer Zeit in die andere. Und alles bekannt; Häuser, Straßen, Kreuzungen, eine fremde Stadt, sehr seltsam.

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