Camp X-Ray

In Ketten Sträflingsversand nach Guantanamo

Seit wir zu lernen hatten, dass die deutsche Teilnahme am Luftkrieg gegen Serbien vor drei Jahren auch als Sühne für Auschwitz genommen werden konnte und der Krieg in Afghanistan höchstens - wenn überhaupt - wegen des Einsatzes von Streubomben problematisch sei, kann sich auch die Behandlung von Gefangenen diesen ethischen Standards nicht entziehen. So werden Taleban- und al-Qaida-Kämpfer - derzeit findet ihre Deportation zur US-Marinebase Guantanamo auf Kuba statt - während eines 26-stündigen Fluges mit Ketten an ihre Sitze gefesselt, durchweg unter einer Kapuze gehalten, von zwei Bewachern eskortiert und unter Psychopharmaka gesetzt. Dadurch soll offenbar nur soviel an Humanität verbraucht werden, wie die abendländische Gesellschaft derzeit entbehren kann. Enduring Freedom oder der Kampf gegen das Böse scheint die Zivilität des Westens bis auf die letzten Reserven erschöpft zu haben. Man kann ja beten für die Gefangenen, wenn es die Moral verbietet, sie menschlich zu behandeln.

In Guantanamo selbst erwartet die Sträflinge das Camp X-Ray (Lager Röntgen). "Ein schwieriger Haufen ist da eingeliefert worden, aber wir sind bereit, sie hier in Camp X-Ray in Gewahrsam zu nehmen", beschreibt ein Militärsprecher, was wie Gnade durch Selbstüberwindung klingt. Vorerst stehen Zellen zur Verfügung, die etwa 1,8 mal 2,4 Meter groß sind, statt Wänden Maschendrahtläufe haben und einen in die Erde versenkten Betonfußboden. Das erinnert an die "Tigerkäfige" aus der Zeit des Vietnam-Krieges, die für gefangene Viet Cong Verwendung fanden. In diesen Käfigen saßen Vietnamesen, denen das Phönix-Programm der CIA "Spezialbehandlungen" zuteil werden ließ. Waren die abgeschlossen, wurden die Gefangenen gelegentlich aus einem über dem Dschungel fliegenden Hubschrauber in die Freiheit entlassen. Enduring Freedom schon damals.

Die USA haben nun erklärt, die aus Afghanistan Deportierten könnten nicht gemäß der Genfer Konventionen behandelt werden, es handle sich um keine Kriegsgefangenen. Das klingt logisch. Schließlich hatten die USA auch keine Kriegserklärung abgegeben, als sie Afghanistan bombardierten. Was Recht ist, muss Recht bleiben.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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