Sebastian Rießland ist gut drauf: Bald ist Erntezeit, sein Bio-Hanf in Niederösterreich hat viele Sommertage genießen können. Der 33-Jährige ist Mitbegründer des Wiener Start-ups Magu, eines Pioniers der Hanf-Branche. Das Unternehmen produziert CBD-haltige Blüten, Öle, Tees und einiges mehr. Anders als THC, der prominenteste Bestandteil der Cannabispflanze, macht CBD nicht high: Der Stoff gilt als beruhigend und schmerzlindernd. Magu baut den Hanf für die eigenen Produkte nicht nur auf dem Feld, sondern auch in einer Wiener Produktionshalle an.
Im Gegensatz zu den widrigen Wetterbedingungen, mit denen die Pflanzen unter freiem Himmel zurechtkommen müssen, führen die Hanfpflanzen im Innenanbau ein behütetes Dasein: Kunstlicht, regul
cht, regulierte Belüftung und Bewässerung. Durch die standardisierten Wachstumsbedingungen entsteht gleichbleibende Qualität. „Der Nachteil von Innenanbau ist natürlich der große Energieaufwand“, erklärt Rießland. Eigentlich sei Hanf sogar prädestiniert für den Außenanbau, denn viele Sorten seien sehr widerstandsfähig: Schädlinge, Krankheiten und Trockenheit würden ihnen wenig anhaben.Was Rießland über nachhaltige Anbauchancen von Hanf sagt, ist auch für die geplante deutsche Cannabislegalisierung relevant. Denn er sieht keine größeren Unterschiede zwischen dem Anbau von Outdoor-CBD-Hanf, wie Magu ihn betreibt, und dem von Outdoor-THC-Hanf. „Beides wird so gemacht, dass am Ende möglichst viele große, unbestäubte weibliche Blüten da sind.“ Nur Nährstoffversorgung und Sortenauswahl müsse man entsprechend anpassen, wenn es darum ginge, möglichst THC-reiche Blüten zu produzieren – und damit berauschendes Marihuana. Wird nach einer Legalisierung in Deutschland also Outdoor-Gras die Äcker erobern?Ein Freund dieser Vorstellung ist der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Der Grüne meinte Ende des vergangenen Jahres, viele Bäuerinnen und Bauern stünden „in den Startlöchern, um Hanf anzubauen“. Doch Sebastian Rießland ist skeptisch, ob der Außenanbau bei der deutschen Cannabislegalisierung eine große Rolle spielen wird. Anders als beim Innenanbau sind die Umweltbedingungen auf dem Feld schlecht kontrollierbar – dadurch kann der Wirkstoffgehalt der Pflanzen schwanken.Cannabis-Blüten sind hornyAls Problem entpuppt sich beim Außenanbau auch der Fortpflanzungsdrang der Pflanzen: Wer möglichst THC- oder CBD-reiche Cannabisblüten ernten möchte, muss eine Windbestäubung der weiblichen Blüten durch die Männchen verhindern. Nur die unbestäubten Weibchen produzieren große Mengen der gewünschten Wirkstoffe. „Wir setzen nur weibliche Pflanzen, gleichzeitig schauen wir, dass wir mit den Bauern rundherum reden“, so Rießland. Falls die benachbarten Landwirte Nutzhanf anpflanzen, sollte man beachten, dass dieser weit genug weg stehe – oder wenigstens nicht in Hauptwindrichtung. „Ganz verhindern kann man eine Bestäubung nicht.“Rießland rechnet trotz dieser Schwierigkeiten mit einer hohen Nachfrage nach Outdoor-Hanf. Ähnlich sieht es auch Georg Wurth, der Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands (DHV): „Diese Wahl ist fast ein Muss für ökologisch orientierte Konsumenten.“ Die Ökobilanz des Outdoor-Anbaus sei „unschlagbar“. Zweifel an der Qualität hat er nicht: Seit Jahrtausenden werde Cannabis im Freien angebaut und das gelte sicher immer noch für weit über 90 Prozent des auf der Welt konsumierten Cannabis. Gehört dem Außenanbau die Zukunft?Die Skepsis bleibt, denn jede Mulde im Ackerboden kann dazu führen, dass eine Pflanze anders wächst als ihre Nachbarin. Bei einem streng regulierten Produkt wie Cannabis ist das ein Problem. Und das Eckpunktepapier zur Legalisierung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) deutet darauf hin, dass das deutsche Freizeit-Cannabis ein solches streng reguliertes Produkt sein wird. Sebastian Rießland und Magu müssen bei ihrem österreichischen CBD-Gras, das sie quer durch Europa vertreiben, schon heute genau auf die strengen gesetzlichen Grenzwerte achten: Die CBD-Produkte dürfen kaum berauschendes THC enthalten.Auch deshalb verarbeitet das Unternehmen die eigenen Outdoor-Blüten ausschließlich weiter: „Aus dem Indoor-Anbau entstehen, weil er perfekt kontrolliert ist, die Blüten, die wir wirklich so als Blüten verkaufen. Weil wir durch die kontrollierten Bedingungen sicherstellen können, dass die Cannabinoid-Werte immer gleich sind“, erklärt Rießland. Der Hanf aus dem Outdoor-Anbau werde dagegen zum Beispiel zu Tee oder zu CBD-Öl – eben weil auf dem Feld die Bedingungen weniger kontrollierbar seien.Etablierte Bauern säen Zweifel, ob Hanf draußen gut gedeihtOb ähnlich strenge Grenzwerte und Vorgaben, wie sie heute für den CBD-Markt (und noch weit extremer für das deutsche medizinische Cannabis) gelten, nach der deutschen Legalisierung auch für das THC-haltige Freizeitgras gelten werden?Georg Wurth vom DHV hält wenig davon, die strengen deutschen Anbauvorgaben für Medizinalcannabis einfach für den Freizeitbereich zu übernehmen. Besonders etablierte Anbauer aus dem medizinischen Bereich würden versuchen, Zweifel an der Qualität des Outdoor-Anbaus zu streuen: „Sie sehen sich in einer guten Ausgangsposition für den Anbau als Genussmittel“, sagt Wurth. „Outdoor-Anbau würde ihr Alleinstellungsmerkmal untergraben: Expertise und Erfahrung im hochtechnisierten Reinraumanbau unter Lampen.“Selbst wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Cannabisblüten sehr streng ausfallen sollten, muss das aber kein Ausschlusskriterium für den Außenanbau sein. Dem berauschenden Outdoor-Hanf erginge es dann ähnlich wie Sebastian Rießlands CBD-Hanf aus Niederösterreich: Er würde zu Produkten verarbeitet, bei denen der Wirkstoffgehalt der einzelnen Blüte keine Rolle mehr spielt.Im Bundeslandwirtschaftsministerium dürften Herausforderungen und Chancen des Außenanbaus längst bekannt sein. Rechnet Özdemir noch immer mit einem solchen, setzt er sich für diesen gar innerhalb der Bundesregierung ein? Sein Ministerium will sich dazu auf Nachfrage des Freitag nicht äußern. Man könne aktuell zu den kommenden Anbaubedingungen „keine konkreten Aussagen treffen“.Sebastian Rießland wünscht den Deutschen eine Legalisierung, die den Hanf unter der Sonne gedeihen lässt. Und er würde sich freuen, wenn auch der private Eigenanbau erlaubt wäre: „Das kann die Leute vielleicht wieder näher an Pflanzen heranbringen.“ Sein Wunsch könnte sich erfüllen: Die ersten Überlegungen von Karl Lauterbach sehen den privaten Eigenanbau im kleinen Rahmen vor. Wie sehr der Hanfanbau am Ende reguliert sein wird? Der erste Gesetzentwurf zur Cannabislegalisierung ist für Dezember geplant – und dürfte Antworten geben.