Charme einer finalen Drohung

Schröder & Fischer Sogar von "Blutsbrüderschaft" wird geschrieben

Endlich eine Meldung, die aus dem Sommerloch hinaus und zu Höherem als dem alltäglichen Polit-Business führt - direkt in die wunderbare Zukunft: Joschka Fischer erklärt, durch ein Interview Schröders ermuntert, dass sie beide 2006 erneut gemeinsam zur Bundestagswahl antreten werden.

Die Mitteilung aus dem rot-grünen Haus hat den Charme einer finalen Drohung. Etwa so, wie wenn die unsterblichen Duos Kilius/Bäumler, Derwall/Vogts oder Kessler/Kessler sich zum Dienst zurückmeldeten. Da war die länger zurückliegende Ankündigung von Franz-Josef Strauß, lieber Ananas-Pflanzer in Alaska als Kanzler in Bonn zu werden, doch von anderem Kaliber als das gemütliche Abfinden mit der Zwangslage von Rot-Grün: "Ohne Fischer kein Schröder" (FAZ) - und mit jenem bald auch nicht mehr, darf man ohne viel zu riskieren hinzufügen. Auf das kommentierende Gewerbe hatte die Botschaft über den winkeladvokatorischen Kuhhandel zwischen Schröder Fischer die Wirkung eines Volltreffers in die Metaphernkiste. Rauschhafte Spekulationen über Fischers "Opfergang für Partei und Vaterland" (taz) sind völlig abwegig.

Bei der Frankfurter Rundschau klingelten gleich die Hochzeitsglocken. "Joschka bleibt", das klingt für diese Zeitung so "beruhigend wie eine gute Hausratsversicherung" und - ohne Ironie - wie "ein lebenslanges Eheversprechen." Was den Hausrat und seine angeblich beruhigende Beständigkeit betrifft, so haben die zeitweilig daran beteiligten Frauen aus den rund acht Eheständen von Fischer Schröder eine etwas andere Erfahrung. Wenn Fischer Schröder jeweils sagten, "ich bleibe", musste bisher in der Regel eine gehen. Fischer kann Schröder lange versprechen zu bleiben. Fragt sich nur, ob der grüne Vizekanzlerwahlverein auch bei der SPD bleiben will. Wenn nämlich die grüne Riesenstaatsfrau Katrin Göring-Eckardt, die die Pflegeversicherung und den Sozialstaat in einem Aufwasch abräumen will, oder der ganz grüne Weltökonom Oswald Metzger ("eine Mark ist eine Mark") das Ruder in die Hand bekommen, dann bleibt für Fischer nur noch die Möglichkeit, in die SPD einzutreten oder gleich als Botschafter nach Burkina Faso oder als Abgeordneter ins Straßburger Polit-Rentnerheim umzuziehen - wie die grüne Militärexpertin Angelika Beer.

In der taz entwich der geborstenen Metaphernkiste das Wort, Schröder habe "Fischer zur Blutsbrüderschaft gezwungen". Das ist ein ernstes Thema und führt von der Abteilung Hausrat Zubehör hinüber ins hochdramatische Fach - mitten ins blut- und nebelverhangene Getümmel von Richard Wagners Götterdämmerung, dritter Aufzug, zweite Szene. Siegfried: "Trink, Gunther, trink!/ Dein Bruder bringt es dir!" Gunther: "Du mischtest matt und bleich/ dein Blut allein darin!" Siegfried: "So misch es mit dem deinen!/ Nun floß gemischt es über:/ der Mutter Erde laß das ein Labsal sein!"

Vom Beginn der Blutsbrüderschaft zwischen den beiden germanischen Recken dauert es in der Aufnahme mit Pierre Boulez als Dirigent noch genau zwölf Minuten und elf Sekunden bis der Trauermarsch für den vom Schurken Hagen ermordeten Siegfried ertönt. Danach bleiben sieben Minuten und sechs Sekunden, bis auch Gunther, der andere Blutsbruder, vom Strippenzieher Hagen, dem "verfluchten Eber", abgemurkst wird. Das leitartikelnd-schwadronierende Gewerbe ahnt nicht, was es sagt, wenn es Blutsbrüderschaft hinschreibt.

Der zu erwartende heiße Herbst lässt also die mentalen Sicherungen bei den "Überinformierten" durchbrennen. Mit entsicherter Pistole irren die Kommentatoren durch die Bühnengasse des halbleeren Polittheaters und schießen wild mit Metaphern und Sprachbildern auf das wenige, was in dürftigen, nach Tiefsinn dürstenden Zeiten offiziell verlautbart wird. Sagt Schröder, Fischer solle für die Ankündigung, 2006 gemeinsam anzutreten, "das Recht des ersten eigenen Wortes" bekommen, katapultiert sich der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung mit einem Salto mortale in die Opernwelt von Figaros Hochzeit: Dass Schröders Satz "irgendwie an den großzügigen Umgang eines Lehnsherrn mit dem eigentlich ihm zustehenden Recht der ersten Nacht erinnert, ist wiederum typisch Schröder." Irgendwie, typisch - fragt sich nur, für wen und was. Zeit, dass der Sommer zur Neige geht. Dann können die "Überinformierten" sich wieder über "Dosenpfand" oder "Stromeinspeisungsgebühren" erregen.

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