Eines macht dieser Tage die Staatsmacht in Venezuela mehr als deutlich: Kritiker sollen sich bitteschön zurücknehmen. In der Rangliste ungeliebter Bürger stehen bei Präsident Chávez „Medienterroristen“ ziemlich weit oben.
Erster Vorbote seines Kreuzzuges gegen die freie Presse war die Schließung des privaten Fernsehsenders RCTV vor zwei Jahren. Dem wurde nicht die Eingangspforte zugekettet, sondern schlicht die Sendelizenz nicht verlängert. Die anschließenden Proteste von Studenten, die der Politik Zensur vorwarfen, wurden genutzt, um gleich mehrere Hunderte von ihnen verhaften und verurteilen zu lassen. Einen Nachschlag gab es vor einem Monat, als die Regierungsbehörde Conatel zum „Wohle des Volkes“ gleich 34 ausschließlich privaten Rundfunksendern schließen ließ. Zur Begründung hieß es, gesetzliche Auflagen seien nicht eingehalten worden.
Selbst manche Anhänger von Hugo Chávez reiben sich verwundert die Augen, mit welch ungewohnter Offenheit nun auch in einer Gesetzesvorlage zur Jagd auf die „Feinde der Revolution“ geblasen werden sollte. Der Inhalt des „Gesetzes gegen Medienverbrechen“ (Ley Especial contra los Delitos Mediáticos), das Anfang August die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega dem Parlament präsentierte, liest sich wie eine Wunschliste zur willkürlichen Strafverfolgung von Journalisten, Verlegern oder Künstlern. Um für mehrere Jahre ins Gefängnis zu wandern, reicht schon die Behauptung, die Betreffenden hätten durch ihre Äußerungen die Stabilität staatlicher Institutionen oder den sozialen Frieden gefährdet. Oder sie würden die öffentliche Ordnung und Moral schädigen. Doch es geht auch mit weniger allgemeinen Anschuldigungen. Ganz konkret heißt es: Mit eine Strafe von bis zu vier Jahren muss rechnen, wer in seinen Veröffentlichungen Informationen verfälscht oder manipuliert. Ein Maulkorbgesetz, um die Zensur schalten und walten zu lassen, auf dass auch noch die letzte kritische Stimme verstummt. Zum Glück war selbst den Sozialisten die Gesetzesvorlage nicht mehr ganz geheuer. Sie ruderten zurück. Nun liegt das Papier in der Schublade und kommt wohl erst zum Einsatz, wenn es wirklich gebraucht wird.
Neues Erziehungsgesetz
Als unlängst eine Gruppe Journalisten in Caracas Flugblätter verteilte, wurde sie von Chavistas verprügelt. Wer dabei als Täter, wer als Opfer galt, stand für den Staatschef außer Frage. Hugo Chávez ließ wissen, die Aktionen der Medienvertreter seien „Vorbereitungen zur Konterrevolution“ gewesen. Die Generalstaatsanwältin befürwortete eine Untersuchung des Vorfalls. Nicht etwa um die Schläger dingfest zu machen, sondern um das Fehlverhalten der Journalisten zu überprüfen. Die hätten sich eher wie „politische Sprecher“ betragen, die das Volk aufwiegeln wollten.
Dabei protestierten sie lediglich gegen das gerade verabschiedete „Erziehungsgesetz“ (Ley de Educación), das vorsieht, an öffentlichen wie auch an privaten Schulen für die nötige „sozialistische Erziehung“ zu sorgen. Unter Artikel 50 wird zusätzlich angeführt, dass in den Medien keine Informationen verbreitet werden dürfen, die gegen „die gesunden Werte des venezolanischen Volkes sowie die geistige oder körperliche Gesundheit der Bevölkerung“ verstoßen. Was genau darunter zu verstehen ist, weiß keiner so recht. Aber genau scheint damit beabsichtigt zu sein. Auf jeden Fall könne nun gegen die „Lügenpresse der Bourgeoisie“ vorgegangen werden, verkündete das venezolanische Staatsoberhaupt. Darüber hinaus steht in dem Regelwerk, kommunale Räte und soziale Organisationen könnten zu „Erziehungsagenten“ bestimmt werden. Ihre pädagogische Rolle bestehe darin, „neue Staatsbürger zu formen“.
Knapp eine Woche, nach dem die Fäuste gegen die Journalisten flogen, wurden bei einer Massendemonstration gegen das Erziehungsgesetz zwölf Verhaftungen vorgenommen. Auch hier war die Sachlage wieder eindeutig. Die Generalstaatsanwältin machte zunächst einmal klar, dass gegen „alle Zivilisten, die sich an einem Protestmarsch beteiligen, aus welchen Gründen auch immer, ein Verfahren eingeleitet wird“. Und fuhr fort, diese hätten schließlich nur zum Ziel, die Regierung zu destabilisieren. Sie erklärte kurzerhand alle Beteiligten zu "Rebellen". Sollten nun die Verhafteten tatsächlich wegen Beteiligung an einer Rebellion verurteilt werden, droht ihnen eine Gefängnisstrafe bis zu 24 Jahren. Der Freiheitskämpfer Simón Bolívar, dessen Name in der amtlichen Bezeichnung des Landes „Bolivarische Republik Venezuela“ Verwendung findet, hätte vermutlich gefragt: Quo vadis, Venezuela?
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