Chicago Boys, go home!

Gastkommentar Großer Kehraus im globalen Kasino

Die berühmte nationalökonomische Schule an der Chicago-Universität, deren bekanntester Vertreter Milton Friedman (1912 - 2006) war, hat ihren Markt-Fundamentalismus weltweit verbreitet. Gier, Egoismus und kurzfristiges wirtschaftliches Denken wurden von dieser Spezies mit den Werten Freiheit und Demokratie zu einer moralischen Philosophie vermengt. Die fatalen Irrtümer dieser Ideologie haben letzten Endes den Risikowahn geschürt, der nun bis zum Fall der Wall Street geführt hat.

Es begann in den fünfziger Jahren, als die Chicago Boys und ihre Klone Lateinamerika erstürmten. Ohne die Boys wäre später die Ära von Reagan und Thatcher undenkbar gewesen mit ihrer Deregulierungswut ohnegleichen. Auch ein Präsident wie George W. Bush berief sich in den nunmehr fast acht Jahren seiner Amtszeit nur zu gern auf den Leitsatz von Friedman: "Der einzige Zweck des privaten Unternehmertums und der Konzerne ist es, soviel Geld für die Aktienbesitzer zu schaffen wie möglich."

So wurde jede Regulierung des globalen Kasinos verhindert, obwohl sich die Finanzminister nach jeder neuen Krise immer besorgter über den Zustand der globalen Finanzierungsarchitektur zeigten. Dem asiatischen Debakel von 1997/98 folgte der Beinahe-Bankrott Russlands 1998 oder das Platzen des Hedge Fonds Long Term Capital Management im gleichen Jahr. Man denke an den der Argentinien-Crash Ende 2002 und den Absturz von Bear Stearns, Fannie Mae und Freddie Mac, von Lehman Brothers, Merrill Lynch und AIG in diesem Jahr - allein diese Institute kosteten die US-Notenbank Fed 900 Milliarden Dollar.

Die "innovativen" Finanzinstrumente, für die sich der einstige Präsident der Federal Reserve, Alan Greenspan, gern feiern ließ, haben sich als betrügerische Investitionen herausgestellt. Zum allgemeinen Entsetzen haben nicht zuletzt Pensionskassen, karitative Stiftungen und Universitätsfonds in den Vereinigten Staaten bei diesen Spielchen um höhere Renditen munter mit spekuliert und das Geld ihrer Klienten aufs Spiel gesetzt.

Inzwischen wissen wir: Mit ihren irrealen Profitzielen und intransparenten Verfahren, mit ihrem ungebremsten Wettbewerb und ihrer Raffgier sind die Kapitalmärkte zum Kollaps verdammt. Stehen wir vor dem Ende des radikal marktwirtschaftlichen Kapitalismus der Chicago-Boys? Wohin geht es jetzt?

Regulierung zum Schutz öffentlichen Eigentums und öffentlicher Interesses hält sogar Finanzminister Herny Paulson für dringlich, obwohl er immerhin Generaldirektor von Goldman Sachs war, bevor ihn der Ruf aus der Regierung Bush ereilte. Heute wirft Paulson der Wall Street vor, dass sie mit ihren Exzessen die Krise nicht nur zu verantworten, sondern auch ohne jedes soziales Bewusstsein gehandelt hat und den Risiken für Sparer, Steuerzahler und kommende Generationen gleichgültig gegenüber steht. Wir brauchen daher nichts Geringeres als die Reform der Wall Street und des globalen Finanzkasinos.

Neue Regulierungssysteme müssen entwickelt werden, um die unumgängliche, aber nicht uneingeschränkte Rolle des Marktes zu reaktivieren, und zwar für die Herstellung von sinnvollen, umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen. Grüne Wirtschaftssysteme sollten ein solares Zeitalter ermöglichen, denn inzwischen reift die Gewissheit: Man hat Geld mit Wohlstand verwechselt - man hat verdrängt, dass gebildete Bürger sowie gesunde und produktive Öko-Systeme der wahre Reichtum eines Staates sind.

Hazel Henderson ist Vorsitzende von Ethical Markets Media LLC, USA

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