Ampel auf Gelb: Mit Wumms in die Wirtschaftskrise

Meinung Mit 65 Milliarden Euro sollen die Bürger entlasten werden. Doch das Paket ist halbgar. Die Regierung gibt gerade so viel aus, dass es nicht allzu viele gleich zum Protest auf die Straße treibt
Ausgabe 36/2022
Selbst FDP-Wähler sprechen sich mehrheitlich für eine Übergewinnsteuer aus
Selbst FDP-Wähler sprechen sich mehrheitlich für eine Übergewinnsteuer aus

Foto: Imago/Chris Emil Janßen

Ein „wuchtiges“ Entlastungspaket hatten sie versprochen, Kanzler Olaf Scholz und die Vorsitzenden der Regierungsparteien, Christian Lindner auch, und der ist nun gleich beides, Chef der Liberalen und Bundesminister der Finanzen. Lindner setzte ein Grinsen auf, als er dieser Tage zur Vorstellung dieses Entlastungspakets schritt.

In der Tat klingen 65 Milliarden Euro wuchtig. Man darf sich aber vom Ton des Kanzlers nicht einschläfern lassen, will man verstehen, was hinter diesem Paket steckt: Viele kleine Päckchen, die kein grundlegendes Problem wirklich anpacken. Nicht einmal der Regierungssprecher konnte später erklären, wie die Koalition auf die Summe von 65 Milliarden kommt. Die größte Farce aber ist das Fortbestehen der Gasumlage. Der für sie verantwortliche grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck tauchte bei der Vorstellung des Pakets nicht einmal auf.

Eine Steuer auf die Übergewinne der Krisenprofiteure – Achtung, die heißen jetzt „Zufallsgewinne“, denn das klingt für die FDP schöner – soll erst einmal die europäische Ebene diskutieren. Dabei gibt es längst eine Empfehlung der EU-Kommission für solch eine Abgabe, und etliche Mitgliedsstaaten erheben sie längst. Selbst FDP-Wähler sprechen sich mehrheitlich für eine Übergewinnsteuer aus. Das sozial und ökologisch offensichtlich vorteilhafte Modell eines Preisdeckels für Gas wiederum verlagert die Ampelkoalition in eine Expertenkommission. So viel Zeit muss sein.

Einmalzahlungen an Rentnerinnen und Studierende sowie ein Bürgergeld in Höhe von 500 Euro werden schlicht nicht ausreichen, um die immensen Preissteigerungen zu kompensieren. Es wird hier und da ein bisschen verteilt, doch nirgends ist wirklich eine Grenze eingezogen. Die Wucht kommt bei den Einzelnen nicht an. Die Regierung gibt gerade so viel, dass es nicht allzu viele gleich zum Protest auf die Straße treibt.

Dass die FDP und ihr Finanzminister knausern würden, war klar. Auch, dass jede neue Steuer Gift für die liberale Ideologie ist. Niemand rechnet damit, dass Lindner plötzlich ein Herz für die Armen hat. Doch er betreibt jetzt Politik sogar gegen die eigene Klientel, denn er lässt Solo-Selbstständige, kleine Betriebe und Dienstleister im Stich. Der Konsum wird in die Knie gezwungen. Der einzige Wumms ist der, mit dem das Land in die Wirtschaftskrise rauscht.

Geld für mehr wäre da. Übergewinne, Vermögen und Erben lassen sich wirksam besteuern, das ist keine Frage der Machbarkeit. Doch dann würde es Superreichen und Megakonzernen an den Kragen gehen, nicht normalen Gaskunden – mit der FDP nicht zu machen. Die verweigert sich solchen Einnahmen und hält gleichzeitig an der Einhaltung der Schuldenbremse fest. Lindners Taschenspielertrick: Die Schuldenbremse muss als Vorwand für Sparmaßnahmen im kommenden Bundeshaushalt herhalten. Nur so kann er argumentieren, dass es für günstige Mobilität oder höhere Entlastungen leider nicht reicht. Er blockiert damit nicht nur soziale Hilfen im Jetzt, sondern auch Investitionen in den nötigen Umbau der Infrastruktur. Das ist es, was kommende Generationen belastet.

Immerhin: Der Taschenspielertrick fliegt jetzt auf. Lindner musste gerade eingestehen, dass er sich vorbehalte, die Schuldenbremse doch noch einmal auszusetzen. Er nannte das „Ultima Ratio“ und versucht, sein Gesicht zu wahren. In Wahrheit wäre das die erste Wahl. Aber mit der Wahrheit wird bekanntlich nicht Politik gemacht.

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