Clements Schreckschuss

Kommentar Streit um den Kündigungsschutz

Hätte das Jahr 465 Tage, Wolfgang Clement überraschte uns mit 465 meist spontanen Vorschlägen. Es wird sich am Kündigungsschutz nichts ändern, weil Wolfgang Clement wenig durchsetzt. Die Bundesregierung steht unter Dauerbeschuss, daher wird sich wenig ändern. So oder so. Wie waren die Abläufe nach Clements Zündung eines Schreckschusses?

Der Sauerländer Friedhelm Merz weiß, dass Clement ein Ankündigungs-Ministerpräsident war. Deshalb konnte er dem Vorschlag gefahrlos zustimmen. Die Bild-"Zeitung" meldete objektiv unrichtig, "die SPD" wolle den Kündigungsschutz abbauen. Pikant ist, das meldete sie an dem Tag, als das Berliner Landgericht in einem Urteil formulierte, das Blatt arbeite bewusst und gezielt auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten hin, um mit dieser üblen Methode Geld zu verdienen. Was die Springerleute auch jetzt nicht bremste. Ausgerechnet diese Blatt-Macher wollen um das Wohl der kleinen Leute bangen? Sie nutzten die Chance, eine unausgegorene Idee des Ankündigungsministers der gesamten SPD anzulasten, aus der in Wahrheit sofort Widerstand kam. Gewerkschafter sahen Verrat. Michael Sommer behauptete, Rot-Grün verdanke dem DGB den Wahlsieg.

Bei Lichte besehen sieht es aber anders aus. Diese Bundesregierung hat nach ihrer ersten Wahl 1998 in 100 Tagen alle sozialen Gräueltaten der Regierung Kohl zurück genommen. Und was folgte? In den Ländern eine Niederlage nach der anderen. Gab es einen Linksruck? Nein. Der Rechtspopulist Roland Koch wurde schließlich nicht nur gegen die Arbeitnehmer gewählt, sondern auch von ihnen. Er hat für Hessen die höchsten Staatsschulden eingefahren, beleidigte einen Gewerkschafter mit einem Nazi-Vergleich, kündigt täglich soziale Kahlschläge an - und woher kommen die Wähler-Stimmen? Nur aus dem unmoralischen Bürgertum? In Bayern wählte die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder Stoiber. Acht Prozent weniger Arbeiter votierten bei der Bundestagswahl 2002 für Rot-Grün. Sie wanderten aber nicht nach links. Die CSU/CDU gewann bei ihnen neun Prozent, bei der FDP verdoppelte sich die Zustimmung. Und die PDS verlor.

Den Hauptamtlichen in den Gewerkschaften folgen die Mitglieder nicht. Zwar stimmten 2002 im Bund noch 51,2 Prozent der Organisierten für die SPD, doch die Verluste waren hier überdurchschnittlich hoch. Die Gewerkschafter wechselten weder zu den Grünen noch zur PDS. Und dies, obwohl Stoiber das Tariftreuegesetz auf Bundesebene verhinderte. Michael Sommer drohte Stoiber mit seinem Lieblingssatz: "Dann gibt es Ärger." Nun heißt es als Verschärfung gegen Clement: "Dann gibt es richtig Ärger". Es wird hier nicht für die Auflösung des Kündigungsschutzes plädiert. Aber daran erinnert, dass die Gewerkschaften politisch schwächer sind als sie es selbst wissen. Es besteht die Gefahr, dass die im 30-Prozent-Ghetto steckende SPD es merkt. Sie wird sich nicht nach links wenden.

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