Clever eingefädelt

Gastkommentar Warum Abgeordnetenbestechung in Deutschland noch immer nur unzureichend unter Strafe gestellt ist

1994 wurde in Deutschland der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung ins Strafgesetzbuch eingeführt. 2007 wurde zum ersten Mal ein Mandatsträger aufgrund dieser Vorschrift verurteilt. Danach passierte - nichts mehr. Bis heute. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass Abgeordnete in Deutschland ziemlich unbestechlich sind. Dass das Parlament in Berlin, dass die Land-, Kreistage und Kommunen korruptionsfreie Zonen sind.

Aber das wäre ein reichlich naiver Schluss; einer, dem wohl kaum ein Wähler Glauben schenken würde. Und ein realitätsblinder, ja, gefährlicher dazu, der die wahren Ursachen dieser "Untätigkeit" der Justiz verschleiert: Dass die Strafvorschrift (§ 108e StGB) nur die Fälle besonders plumper Bestechung erfasst; Fälle, die im politischen Alltag so gut wie nie vorkommen: den direkten Stimmenkauf. Die cleveren - um nicht zu sagen: einer komplexen, ausdifferenzierten Gesellschaft entsprechenden - Methoden der Bestechung hingegen bleiben außen vor: der Beratervertrag ohne Beratung, der gut bezahlte Stuhl im Aufsichtsrat, auf dem der Abgeordnete nur selten Platz nimmt, die All-Inclusive-Einladung zur Konferenz, bei der man sich unter südlicher Sonne am Swimmingpool bespricht - all das, was das Abgeordnetenmandat und seine politischen Handlungsmöglichkeiten zum Handelsgut werden lassen.

Politische Entscheidungen werden heute nicht erst an der Abstimmungsurne gefällt, sondern im parlamentarischen Tagessgeschäft: in Ausschüssen und Fraktionssitzungen, in Kreistags- und Gemeinderatssitzungen. Den Bestechern geht es dabei in der Regel nicht um politische Richtungsentscheidungen, sondern um die Durchsetzung von aktuellen, zumeist wirtschaftlichen Zielen - durch ein für sie günstiges Gesetz, eine Satzung, Entscheidungen in den Fraktionen oder in den Ausschüssen.

Der Paragraf 108e Strafgesetzbuch ist im Hinblick darauf nicht nur wirkungslos, sondern sogar schädlich - lässt er doch, zumindest bei oberflächlicher Betrachtung, den Eindruck entstehen, dass der Staat dem Problem der Abgeordnetenbestechung ja bereits entgegengetreten sei. Dass er das nicht entschieden genug getan hat, lässt sich schon allein aus der Tatsache ablesen, dass die Bundesregierung zwar vor fünf Jahren die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet hat, die eine Verschärfung der entsprechenden Strafrechtsvorschriften verlangt - genauer gesagt: eine Gleichbehandlung von Abgeordneten mit Amtsträgern, für die es im deutschen Strafgesetzbuch einen weitaus strengeren Korruptionstatbestand gibt -, diese aber im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten bis heute nicht ratifiziert hat.

Auf diese unbefriedigende Situation hat auch der Bundesgerichtshof schon vor zwei Jahren hingewiesen und "angesichts des gewandelten öffentlichen Verständnisses der besonderen Sozialschädlichkeit von Korruption (...) gesetzgeberischen Handlungsbedarf" erkannt.

Die Bundesregierung scheint diesen nicht zu sehen. Gesetzesentwürfe aus diesem Frühjahr, die den gegenwärtigen Paragrafen im Sinne der UN-Konvention erweitern, stammen von den Oppositionsfraktionen. Die Regierungsparteien zeigen bislang keine Bereitschaft hierauf ernsthaft einzugehen. So kann die alltägliche Korruption weiter in den Parlamenten Fuß fassen und das Vertrauen der Wähler in die Demokratie beschädigen - eine Beschädigung, wie sie dieser nachhaltiger wohl kein äußerer Feind zufügen könnte. Eine Beschädigung, die - so muss es leider gesagt werden - schlichtweg hausgemacht ist.

Wolfgang Neskovic´ ist Rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag und ehemaliger Richter

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