Coming Home aus Amerika

Bühne Ronald Marx und das Projekt Road Theater USA feierten am vergangenen Wochenende die Heimkehr von einer außergewöhnlichen Theaterreise. Coming Home ...

Ronald Marx und das Projekt Road Theater USA feierten am vergangenen Wochenende die Heimkehr von einer außergewöhnlichen Theaterreise. Coming Home hieß das theatralische Ereignis, das auf der Hinterbühne der Freien Volksbühne in Berlin im weitläufigen Bühnenbild eine gelungene Mischung aus Fiktion und Dokumentation, aus Videoprojektionen und Live-Theater bot. 12.000 Kilometer wurden im giftgrünen Tourbus zurückgelegt, 31 Vorstellungen in 24 Orten gespielt. In Edmonton, Kentucky bedankte sich nach der Vorstellung eine Frau mit den feierlichen Worten "Thank you for bringing culture to our country."

Mit dem eigens von Roland Schimmelpfennig geschriebenen Stück Start up war die Gruppe German Theater Abroad (GTA) im vergangenen Oktober in die USA aufgebrochen (Freitag 41/07). Der Autor greift die Situation auf: Eine Gruppe Deutscher, auf den Spuren europäischer Siedler, will in den USA eine eigenwillige Geschäftsidee umsetzen - Import deutscher Kultur. Doch der lange Weg und die widrigen Umstände hat die Abenteurer mürbe gemacht. Hungrig und gereizt treffen die nachdenkliche Kati (Lisa-Marie Janke), der leicht verklemmte Micha (Nicolai Tegeler) und der forsche Rob (Nils Nelleßen) auf Ike (Roland Sands), den freundlichen Besitzer einer leer stehenden Immobilie. Dieser empfiehlt dringend, eine Videothek zu eröffnen, doch Micha will davon nichts hören. In einer melodramatischen Rede erinnert er an den Marshall-Plan. Eine Videoladen sei kein Mittel, sich der historischen Bringschuld als Dank für Befreiung von Adolf Hitler würdig zu erweisen. Wiederum Ike: "Ist Hitler der Grund, aus dem Du hier keine Videothek eröffnen willst?" 60 Jahre sei das her, man müsse doch realistisch sein. Ike braucht die Miete für die Zahnbehandlung seiner Tochter. "It´s all about teeth." Wer schöne Zähne hat, kann alles erreichen. Unterschiedlicher können Prämissen nicht sein.

Videoexkurse auf den Leinwänden sorgen für die zeitliche und räumliche Erweiterung der Szene um die Begegnungen am Rande der Reise. Man sieht den Darsteller Ike beim Barbier, vor einer Rinderherde, beim Plausch mit alten Herren und überall spricht er über nichts als die Zähne seine Tochter. Kati berichtet vom Bildschirm herunter von diversen "Cowboy und Indianer"-Rollenspielen. Schon sieht man die drei als Siedler verkleidet in typischen Wildwestszenerien: in Schaukelstühlen und zu Pferd in einer Westernstadt. Per Video werden die Zuschauer Zeugen, wie Micha vor einer Schulklasse deutsch-amerikanische Beziehungen referiert, einschließlich der Freundschaftsbekundungen nach dem Anschlag auf das World Trade Center und der späteren Weigerung der deutschen Regierung, sich am Irakkrieg zu beteiligen. Veritabler Zündstoff, doch die Klasse sitzt brav und schweigt.

Im zweiten Teil der Aufführung wartet der Abend mit einem Höhepunkt auf, der das Stück in die Wirklichkeit der Theatertruppe hinein fortschreibt. Die Schauspieler reden sich ihre persönlichen Reiseeindrücke von der Seele. Die Essgewohnheiten und die frappierende Freundlichkeit der Amerikaner beim Erstkontakt sind nicht bei allen Ensemblemitgliedern auf Gegenliebe gestoßen.

Symptomatisch für das Projekt Road Theater USA ist der spielerisch leichte Wechsel zwischen ironischer Distanz und wahrhaftiger Entdeckerfreude. Amerikaprojektionen, Vorurteile und Klischees reisten als Reflexionsebene mit im grünen Bus und wurden - als Gesprächsangebot - dem dortigen Publikum offenherzig präsentiert. Und, das zeigt die Aufführung, in neuen Variationen wieder mit nach Hause gebracht. Was bleibt, sind unverkrampfte Begegnungen, Konfrontation mit einer anderen Kultur und neue, selbstinszenierte Bilder von einem Land, in dem der Himmel blauer ist und alles irgendwie größer als hierzulande. Dem künstlerischen Leiter Marx und dem Autor Schimmelpfennig ist zu verdanken, dass aus den Eindrücken dieser Reise ein kurzweiliger Theaterabend entstehen konnte, der von all dem erzählt.

GTA Coming Home am 7. Mai beim Heidelberg Stückemarkt, Ende Mai in Düsseldorf

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