Eigentlich klingt die Idee charmant und gerecht: Alle sollen erben, nicht nur die Kinder Wohlhabender! Konkret aber ist das Konzept problematisch. Gibt es nicht dringlichere und effektivere Verwendung für die 15 Milliarden, die das jährlich kosten würde? Warum sollten auch Kinder von Wohlhabenden das bekommen? Warum nur die, die jetzt gerade 18 werden und ältere Jahrgänge nicht?
Es gibt viele soziale Probleme, für die öffentliches Geld vorrangig eingesetzt werden sollte: Armut – vor allem im Alter und bei Erwerbslosigkeit –, Mangel an bezahlbaren Wohnungen, Pflegenotstand, hohe Investitionsbedarfe der Kommunen, Personalmangel im Bildungsbereich. Hinzu kommen gigantische Zukunftsaufgaben beim klimagerechten Umbau von Energiesystem, Verkehr und Gebäuden. Das geht nicht alles über Kredit. Prioritäten müssen gesetzt werden. All diese Aufgaben zielgerichtet zu bewältigen, ist wichtiger und nützlicher als ein Handgeld aus der Gießkanne zum 18. Geburtstag.
Das DIW will das Geld zweckbestimmen: für Ausbildungsfinanzierung, für Wohneigentum, Selbstständigkeit, Unternehmensgründungen – oder für Weiterbildung und Einkommenseinbußen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit sowie für Kinderbetreuung und Pflege. Das suggeriert, hier gehe es um eine gesellschaftlich sinnvolle Verwendung statt um eine private Ver(sch)wendung. Tatsächlich geht es aber vor allem um die Förderung von Privateigentum, „Eigenvorsorge“ und Eigenverantwortung. Es gibt hier mehr als nur Spuren neoliberaler Ideologie.
Für all die genannten Fragen gibt es bessere und billigere Instrumente. Die Reduzierung statistischer Ungleichheit ist kein Selbstzweck. Ein Grunderbe löst keine sozialen Probleme und reduziert weder übermäßigen privaten Reichtum noch die damit verbundene Macht. Chancenungleichheit entsteht nicht erst durch Erbschaften in der Lebensmitte. Sondern vielmehr durch berufliche Stellung, Bildungsniveau, Einkommen und Lebensweise, soziales Umfeld und die Orientierungen der Eltern. Einmalig 20.000 Euro bewirken hier wenig. Wichtiger sind ein gutes, kostenfreies, integriertes Ganztags-Bildungssystem und eine verbesserte Ausbildungsförderung für Kinder ärmerer Familien – als Zuschuss, nicht Kredit.
Für die Betreuung von Kindern, Alten und Behinderten bedarf es guter Einrichtungen und häuslicher Pflege sowie Einkommensersatz für pflegende Familienmitglieder. Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und Alter müssen durch die gesetzliche Arbeitslosen- und Rentenversicherung besser abgesichert werden. Private Vorsorge erreicht die am wenigsten, die sie am nötigsten hätten. Daran würde auch ein Grunderbe nichts ändern.
Selbstständigkeit lässt sich auf anderem Wege besser fördern. Die Wohraumprobleme lassen sich nicht mit Eigentumsförderung lösen – schon gar nicht mit 20.000 Euro. Ursache der drastischen Schieflagen sind Niedriglöhne und übermäßige Einkommensungleichheit. Dem muss durch flächendeckend wirkende Tarifverträge sowie höhere Mindestlöhne begegnet werden, wozu es starker Gewerkschaften bedarf.
Aber lässt sich nicht mit dem Argument eines Grunderbes eine Vermögens- und höhere Erbschaftsbesteuerung der Superreichen leichter durchsetzen? Eher nicht. Es gilt das „Nonaffektationsprinzip“: Steuern werden nie zweckgebunden erhoben. Daher ließe sich eine solche Besteuerung nicht wirksam an ein Grunderbe koppeln.
Am Ende würde ein solcher Vorschlag die Multimillionäre und Unternehmenseigner nicht davon abbringen, ihre Lobby, ihre finanzielle und politische Macht gegen eine höhere Besteuerung einzusetzen. Es führt kein Weg daran vorbei: Wirksame Vermögensbesteuerung und Abbau von Ungleichheit muss man gegen diese Gruppen erkämpfen.
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Lesen Sie hier eine Gegenrede von Stefan Bach auf diesen Artikel.
Kommentare 9
Ich halte mich an: Wer appelliert hat keine Macht.
Das ist Kultur, ein imaginäres Feld errichten um systemische Baustellen zu verstecken.
Dann also doch besser eine wirksame Erbschaftsteuer. Vielleicht könnte die Idee vom Mindesterbe ja die Diskussion um eine höhere Erbschaftsteuer beflügeln. Das wäre schon mal positiv. Vielleicht geht es auch so: Wer eine Eigentumswohnung erbt, der muss jemand anderem die Miete zahlen. Wäre auch so ein Gedanke.
wir hatten das hier schon mal.20.000 sind nichts.d afür kann man keine whg kaufen und lebt max. 1 jahr davon. besser sind: gute sozialleistungen und einkommen- das ist nämlich teuerhaft und nicht ein tropfen auf den heißen...
sehr gut argumentierter kommentar!
das ganze erinnert mich an das bge, nur ins noch weniger verändernd, die eigentlichen probleme nicht angehend.
letztlich sogar herrschaftssichernd...
Dergleichen Vorschläge wachsen nicht auf dem Mist von Leuten, die sozial denken, bzw. die sozialen (=monetären) Unterschiede verringern wollen.
Das sind typische Vorschläge, die von der Kapitalseite kommen. Mit dem Geld können Leute, die bisher gar nichts haben, ihren Verpflichtungen gegenüber den Herrschenden besser nachkommen. Z.B. einen PC kaufen und/oder ein Handy, wenn sie noch keins haben, auf dass sie überall erreichbar / aufspürbar sind, oder ihren dann nicht mehr kostenlosen Impfpflichten nachkommen, wenn es die bis dahin gibt.
Es dient dem Machterhalt, bzw. der Zementierung der Machtverhältnisse, wie es ein Vorredner schon erkannte. Zudem kann man eine Art von Scheinfrieden wahren und möglichen kritischen Bewegungen - so sie denn sich mal entwickeln sollten - den Wind aus den Segeln nehmen. Es zeigt auch, wie wenig Geld inzwischen Wert ist.
So schnell wird es sicher nicht dazu kommen, aber man kann eine Menge Aufmerksamkeit auf dgl. lenken. Aufmerksamkeit ist das Kapital des dritten Jahrtausends, wie auch das Geschäftsmodell des forierenden digitalen Sektors zeigt -> GAMF.
Typisch Ralf Krämer. Ja kein Geld bedingunglos an Menschen ausbezahlen. Also kein Grundienkommen, auch keine einmalige Zahlung! (Die Idee stammt überdies von Ackermann und Alsott) Statt dessen paternalistische staatliche Sozialpolitik, die keinen Millimeter über die kapitalitischen Verhältnisse hinausweist. Dem Individuum ist grundsätzlich zu misstrauen, aber jedes Vertrauen in den Staat, das ist Krämers Credo.
Höhere Löhne und verpflichtende Tarifbindung wären besser.
dauerhaft und teuerhaft...
Tja, so etwas ist doch altmodisch. Da kann man ja nicht innovativ rüberkommen.